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WEIHNACHTEN – DAS BALLETT stürmisch gefeiert

28 Nov

Greifswald. Im trüben November, noch vor Advent und erstem Schnee, präsentierte Ralf Dörnen, Ballettdirektor und Chefchoreograph am Theater Vorpommern, seinen neuen Ballettabend.

„Weihnachten, o Gott, schon wieder!“ – so mag der gestresste Zeitgenosse aufstöhnen und hoffen, dass das alles bald vorbei sei. Wer von derlei depressiv-destruktiven Gedanken geplagt wird, für den hält Ralf Dörnen ein Gegengift bereit.

Ein liebevoller Blick senkt sich auf die biblische Weihnachtsgeschichte. Man muss nicht religiös sein, um zu erfahren, dass da immer, bei jeder Geburt, ein Rest von Geheimnis bleibt. WEIHNACHTEN – DAS BALLETT ist ein Angebot, sich diesen Blick zu eigen zu machen, der vieles streift, was uns an diesem Abend und gewiss auch später noch begegnen wird.

„Maria durch ein Dornwald ging“- mit diesem von den King‘s Singers wunderschön gesungenen Adventslied beginnt Marias Gang durch diesen Abend. Sie ist eine von uns. Sie trägt ein leichtes schlichtes Sommerkleid. Ein Engel verkündet ihr, dass sie schwanger werden und Gottes Sohn zur Welt bringen wird. Was für eine alles verändernde Nachricht!

Und überhaupt – die Engel, diese zwischen Himmel und Erde vermittelnden schwebenden Wesen, ihre Anmut und Kraft scheinen Erdenschwere zu überwinden. Mal ohne, mal mit Flügeln, mal mehr oder weniger geschlechtsneutral gewandet, gleiten sie über die Bühne. Als Johann Sebastian Bachs „Jauchzet, frohlocket“ erschallt, verklären sich ihre Gesichter und tanzend widerspiegeln sie den Jubel dieser ewig jungen Musik. Wer diese Bilder gelungener Symbiose von Tanz und Musik gesehen, wer die kongeniale choreographische Nachzeichnung Bachscher Kontrapunktik im Engelrauschen erlebt hat, wird das alles unverrückbar in Erinnerung behalten – ja, er wird diese Musik neu und anders hören, wo immer sie ihm begegnet, und sei‘s im Supermarkt.

Und genau dorthin, in die unvermeidliche Weihnachts-Konsumwelt nimmt uns das Ballett mit. Weihnachtsmänner, inflationär schon Wochen vor Advent und Fest als Deko und in Schokolade omnipräsent, führen hier, quicklebendig und auf ihr lästiges Image pfeifend, einen übermütigen Tanz mit vollbepackten Einkaufswagen auf, der in halsbrecherisch akrobatischen Fahrten über den leeren Bühnenboden und natürlich in einer turbulenten Paketschlacht enden muss. Fröhliches Chaos! Aber das Chaos lässt sich steigern. Deutsches Familienweihnachtsidyll: Die Frau am Herd, die Gans im Ofen, der Mann streitende Geschwister neutralisierend, Besuch von Oma und Opa, und Onkel und Tante mit Kind, Alkohol, Geschenke … Erst nur im Hintergrund rumorend, doch schon nichts Gutes ahnen lassend, Ravels Bolero. Was für ein Einfall! Im Gleichschritt mit dem unerbittlichen Crescendo des spanischen Tanzes kann die Situation herrlich eskalieren. Opa trinkt als erster über den Durst, Geschenke treffen nicht auf Gegenliebe, flirtende Blicke treffen auf die Falsche, hungrige Mäuler nicht auf Nahrung und die eifersüchtige Hausfrau verliert das Wichtigste aus den Augen. Die Gans – man hat es lang erwartet – qualmt aus dem Ofen, die Fetzen fliegen, nichts bleibt wie und wo es war. Dann, endlich, finden Chaos und Bolero gemeinsam ihren finalen Akkord. Der Vorhang fällt, Pause.

Nach der Pause rollen aus über vierhundert Metern weißen Tülls gefertigte Schneeflockenkostüme über die Bühne, die ihren Trägern Gelegenheit zu den witzigsten Kapriolen bieten und das Publikum zu herzlichem Applaus verführen. Spontanen Beifall gab es auch für die märchenhaften, variierbaren Vorhänge aus gefühlt tausend kleinen Lichtquellen.

Ob man sich an Inszenierungen erinnert, hängt nicht wenig von nachhaltigen visuellen Eindrücken ab. Spätestens hier muss Cornelia Brey, für Bühne und Kostüme verantwortlich, gewürdigt werden. Erstaunlich sicher schuf sie ideale Tanz- und Spielräume und entwarf schöne, unprätentiöse Kostüme, die den Tänzerinnen und Tänzern und den von ihnen zu verkörpernden Figuren bestens dienen. Wie Marias Kleid, leben auch die Kostüme der Engel von ihrer Schlichtheit, und auch die angehefteten Flügel entgehen stilsicher der Gefahr, in die Kitschfalle zu schlittern.

Generell zum Licht! Es schafft an diesem Abend keinen heimeligen Weihnachtsglanz, sondern für die jeweiligen Regieabsichten die gewünschte atmosphärische Verfremdung, jedem Anhauch von Rührseligkeit vorbeugend!

Der zweite Teil des Abends findet schnell wieder in seinen für diesen Anlass wohltuend gewählten Rhythmus der Reihung weltlich und religiös motivierter Szenen. Zum Ende schließt sich der Kreis mit drei Nummern aus dem Weihnachtsoratorium von Saint-Saëns. Maria erfährt die Geburt ihres Kindes, das später von sich sagen wird „Ich bin das Licht derWelt“, nun, zum Schluss, noch einmal – als Geburt dieses Lichts.

Ralf Dörnen wäre aber nicht der professionelle Choreograph, der er ist, entließe er sein Publikum mit dieser besinnlichen, entschleunigenden Sequenz. Zum Schlussapplaus darf sein mit glücklicher Hand neu komplettiertes Ensemble ein letztes mal voll aufdrehen. So konnte das buntgemischte Premierenpublikum noch leichter seiner Begeisterung freien Lauf lassen – und spendete langen, nicht enden wollenden stürmischen Beifall. Für alle hochverdient!

Erfolgreiche „Zwei Männer ganz nackt“ von Sébastian Thiéry

18 Nov

am Theater Vorpommern

Der Titel zieht! Besonders Frauen! Paarweise oder in Grüppchen. Junge, Jüngere und Damen mittleren Alters vorzüglich. Ganz nackt – das ist trotz allgegenwärtiger Sexualisierung unseres zivilen bürgerlichen Lebens noch immer gewöhnungsbedürftig. In der Öffentlichkeit ein Tabu, das, gebrochen, polizeiliche Maßnahmen nach sich zieht. Im Paradies war „ganz nackt“ Symbol für sündlose Freiheit – unter Gottes Auge. Aber wir wissen, wie es endete!

Anders im Theater. Ein kurzer verlegen erregender Schauer mag wohl einigen Zuschauern weiblichen und männlichen Geschlechts über den Rücken gelaufen sein, als unvermittelt ein völlig ungeschützt nackter, wohlgestalter Mann, durch den Ruf seines Handys geweckt, auf die Bühne stürzte. Als dann die Handlung Fahrt aufnahm und ein zweiter Nackter eher lässig die Szene betrat gab es noch vergleichende Blicke, aber man hatte sich schon gewöhnt!

Der Regie (Oliver Scheer) gelingt, dass es nie peinlich für den Zuschauer wird, da hier nicht sexualisierte Nacktheit zu Markte getragen wird. Das macht den Rang der Inszenierung aus. Nicht das Nacktsein an sich führt zu Heiterkeit im Publikum, sondern die Komik vielfach wiederholter Bemühungen der Männer, ihre Blöße zu bedecken, anstatt sich endlich mal anzuziehen! Dabei helfen ihnen den Bühnenraum schlicht strukturierend herabhängende weiße Voiles (Bühne und Kostüme – Xenia Hufschmidt)!

Wenngleich das durchgehende Thema des Stücks Sexualität ist, genauer Homosexualität, so wird sie hier nicht plump vorgeführt. Sexuelle Anspielungen werden ironisch gebrochen, mit indiziösen Fundstücken verdächtigen Tuns wird humorvoll gespielt. Die Komik der Komödie speist sich aus der Absurdität eines verdrängten, komplett ausfallenden Erinnerungsvermögens.

Die zwei Männer müssen verschreckt feststellen, dass sie sich kennen: Nicolas Prioux (Ronny Winter) und sein Chef Alain Kramer (Jan Bernhardt).

Dramatische Zuspitzung erfährt die verfahrene Situation durch das Erscheinen von Alains Ehefrau Catherine (Maria Steurich). Jede Notlüge, jeder hilflose Versuch ihres Mannes, sich zu rechtfertigen, macht es nur noch schlimmer – zum Vergnügen des Publikums. Man wird nie genau erfahren, ob sie ihn nicht ganz gern überführen würde – auch als Erklärung für die ganze, wie sich nach und nach herausstellt, Misere ihres beider verfehlten Ehelebens.

Zum Erfolg dieser Inszenierung trägt ganz maßgeblich das glückliche durch die Regie erlaubte Ausagieren schauspielerischen Könnens bei.

Jan Bernhardt darf als hilfloser Chef und vermeintlich bester Ehemann seinem Affen Zucker geben. Ständig schwankend zwischen depressivem Kleinmut und manischer Hektik, versucht er einen Rettungsanker für sein altes Leben zu finden. Das missrät so gründlich wie komisch. Mit melancholischen Momenten, die Bernhardts starke Bühnenpräsenz komplettieren, berührt er das Herz und gewinnt endgültig die Sympathie des Publikums als ein moderner „Ritter von der traurigen Gestalt“.

Ronny Winter dagegen besticht durch die glaubhafte Gestaltung eines ganz anderen Charakters. Changierend zwischen Naivität und Gerissenheit, mit sympathischem Charme und jugendlicher Lässigkeit, ficht ihn das Heikle der Situation kaum an. Erst als er gegen Ende aussteigt und seinem Chef kündigt, scheint hinter einer scheuen Anhänglichkeit und wissender Überlegenheit ein Ernst auf, der auch seinerseits eine gewisse Tragik ahnen lässt.

Maria Steurich ist mit der Aufgabe betreut, die eigentliche Spielmeisterin im Stück zu sein. Als Frau Kramer hat sie vermeintlich alles im Griff. Modern, emanzipiert, ungeeignet eine Opferrolle zu übernehmen, will sie, vorgeblich, lediglich wissen, woran sie ist. Sie hat wenig Grund, Empathie oder andere echte Gefühle zu zeigen. Deshalb lässt sie auch nicht ahnen, welche Konsequenzen sie aus eventuellen Ergebnissen ihrer intriganten Ermittlungen ziehen würde. Das macht ihre Figur nicht gerade sympathisch. Wie aber Maria Steurich, leicht augenzwinkernd, ihre Aufgabe erfüllt, das überzeugt und bringt auch ihr die Sympathie des Publikums ein  und – wie auch den beiden anderen Darstellern –  herzlichen, lang anhaltenden Beifall.

Ein kurzweiliger, nachdenkenswerter und in Erinnerung bleibender Abend, der noch vielen Zuschauern zu wünschen ist!

„Die Gerechten“ von Albert Camus

7 Nov

 und, was davon in Vorpommern übrig bleibt!

Seine Premiere hatte der Fünfakter am 26. Mai 2018 im Rahmen des Spektakels „Ordnung und Widerstand“ am Theater Vorpommern in Greifswald. Inszenierung – Reinhard Göber. „Aufführungsdauer: Eine Stunde und zwanzig Minuten“!

Ich sah „Die Gerechten“ am 30. Oktober als Einzelstück, übernommen in den normalen Spielplan. Noch am Tage hatte ich das Stück gelesen, so dass es ein Leichtes war, Restfunde originaler Textpassagen auszumachen. Es ist kaum verwunderlich, dass in achtzig Minuten nicht der gesamte Text gegeben werden kann. Verwunderlich aber, dass gefühlte vier Fünftel Text aus Aktualisierungsmaterial bestand, über dessen Herkunft das Programmheft leider schweigt.

Albert Camus schickte seinem Drama eine „Vorbemerkung“ voraus, durch die mein Blick auf sein Stück geschärft, und die so gewissermaßen zum Leitfaden meiner Kritik wurde:

„Im Februar 1905 plante eine Gruppe von Terroristen, Mitglieder der Partei der Sozialrevolutionäre, ein Bombenattentat auf den Großfürsten Sergej, den Onkel des Zaren. Dieser Anschlag und die besonderen Begleitumstände vor und nach der Tat bilden den Gegenstand von Die Gerechten. So außergewöhnlich manche der in diesem Stück gezeigten Situationen wirken mögen, so sind sie doch historisch. Das soll nicht heißen, Die Gerechten wären ein historisches Stück, das wird man feststellen können. Doch alle Figuren haben tatsächlich gelebt und haben gehandelt, wie ich es zeige. Ich habe nur versucht, wahrscheinlich zu machen, was bereits wahr ist.

Ich habe sogar dem Helden von Die Gerechten, Kaljajew, seinen realen Namen gelassen. Nicht, weil es mir an Phantasie mangeln würde, sondern aus Respekt und Bewunderung für Männer und Frauen, deren erbarmungslose Aufgabe auch sie selber sehr quälte. Seitdem hat man Fortschritte gemacht, gewiss, und der Hass, der wie ein unerträgliches Leid auf diesen Seelen lastete, ist zu einem bequemen System geworden. Ein Grund mehr, diese großen Schatten heraufzubeschwören, ihre berechtigte Revolte, ihre komplizierte Brüderlichkeit, die maßlosen Anstrengungen, die sie unternahmen, um sich mit dem Mord zu versöhnen – ein Grund mehr auszudrücken, wie unsere Treue ihnen gegenüber beschaffen ist.“

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Das Bühnenbild ist schlicht: der Raum vor dem Eisernen Vorhang ist wechselnd illegaler Treffpunkt einer fünfköpfigen Terrorzelle und Gefängniszelle. Eine begehbare Tür im Eisernen Vorhang, kistenartige Sitzgelegenheiten und ein monströser Ohrensessel (Leder). Soweit, so gut!

Die handelnden Personen: Annenkow, Anführer der Terrorzelle und ihre weitern Mitglieder Dora, Kaljajew, Stepan und Woinow. Dazu Skuratow, Polizeivorsteher.  Soweit – und schon nicht mehr so gut, denn, es sei gleich gesagt, Annenkow wird am Ende, so die Göbersche Version, als Spitzel enttarnt. Dieser gravierende dramaturgische Eingriff und ähnlich andere können nicht ohne fatale Folgen für den Charakter des Stückes bleiben. Es gerät in ein gewollt gänzlich anderes und wohl ungewollt trübes Fahrwasser. Am Ufer winken die unvermeintlichen Ungereimtheiten – konnte man sich doch nicht gänzlich von Camus trennen.

Annenkow, den wir hier treffen, und von dem wir noch nicht wissen, dass er ein Verräter ist, hat denn auch nichts mehr von einem Ersten unter Gleichen und der offenherzigen Brüderlichkeit, die Camus seinen Figuren mit auf den Weg gegeben hat. Annenkow also: gesetzt, überlegen, schon nicht mehr der Generation der Jungen angehörig, als Einziger nicht in halbmilitärischem Schlabberlook auftretend, sich in den unsäglichen Ledersessel fläzend, verkündet Weisheiten und gibt psychterroristischen Befehle zur Disziplinierung seiner Truppe – wenn er nicht gerade wie ein versprengter Cowboy über die Bühne schlendert mit einem für Illegale völlig überflüssigen, ja gefährlichen Schießeisen,  oder sich abwechslungshalber mit einem, auch für die anderen, unersetzlichen – ja was wohl? –  Smartphon beschäftigt! Noch peinlicher wird es, wenn er seine Truppe examiniert, und sie einschwört auf den „Tod des Präsidenten“. Der Reihe nach nötigt er sie, ihre Motivation für den Tyrannenmord deklamierend über die Rampe zu bringen. Und damit sind wir endgültig in der Gegenwart angekommen, der schlechtest möglichen: Verbrechen der Zuckerindustrie, me-too-Befindlichkeiten, verlogene Political Correctness, das Kaputtsparen der Theaterlandschaft, grüne Heuchelei in Bioklamotten – all dies und dergleichen mehr mit  erhobener Faust  vorgetragen, dient hier der Rechtfertigung des geplanten Mordes.

Camus‘ Intentionen müssen spätestens jetzt als Farce verenden. Die ergreifenden Diskurse über Gerechtigkeit, über Liebe und Hass, über Schande und geopferte Jugend – all dies geht den  Regiebach runter! Die unterschiedlichen Charaktere, die doch alle das Gleiche – Gerechtigkeit – wollen, werden nivelliert, ausgelöscht! 

   Wichtige Auseinandersetzungen wie diese:

Stepan  … Erst an dem Tag, an dem wir beschließen, auf Kinder keine Rücksicht zu nehmen, erst an dem Tag sind wir die Herren der Welt, und die Revolution wird triumphieren.

Dora  und wenn die gesamte Menschheit die Revolution ablehnt … willst du dann auch das Volk bekämpfen?

Stepan  Ja, wenn nötig, und zwar bis es begreift. Auch ich liebe das Volk. …

Annenkow  Stepan, wir alle lieben und respektieren dich. Aber was auch immer deine Gründe sein mögen, ich kann nicht zulassen, dass du behauptest, alles sei erlaubt. hunderte unserer Brüder sind gestorben, um zu bezeugen, dass eben nicht alles erlaubt ist. „

    … oder die prophetischen Sätze während des Wartens auf den Bericht von Augenzeugen der Hinrichtung Kaljajews:

Dora … Wir haben das Unglück der Welt auf uns genommen. Auch er hat das getan. Welch ein Mut! Manchmal denke ich aber, darin liegt ein Stolz, der bestraft werden wird.

Annenkow  Ein Stolz, den wir mit unserem Leben bezahlen. Weiter kann niemand gehen. Es ist ein Stolz, auf den wir ein Recht haben.

Dora  Können wir sicher sein, dass niemand weiter gehen wird? Manchmal habe ich Angst, wenn ich Stepan reden höre. Vielleich kommen andere nach uns, die sich auf uns berufen als Legitimation zum Töten und die nicht mit ihrem Leben bezahlen werden.“

   … wenn solche Texte denn, gerissen aus der Intimität und Wahrhaftigkeit der Camusschen Helden, überhaupt zu Wort kommen, wirken wie angepappt, unglaubwürdig, befremdend. Sie wollen so gar nicht zu den auf der Bühne agierenden „heutigen“ Protagonisten passen. Wie in einer guten Komposition, ergibt sich erst in der Vollständigkeit sich ergänzender und aufeinander beziehender Motive die ganze Sinnhaftigkeit und menschliche Schönheit dieses Dramas. Dazu gehört auch der gestrichene Besuch der Witwe des Anschlagopfer in Kaljajews Gefängniszelle und Kaljalews Bemühen, ihrer Trauer ausgesetzt, seine Tat vor der ganzen Menschheit zu rechtfertigen.

Was bleibt nicht alles auf der Strecke beim Versuch, den hausgeschneiderten „Revolutionären“ aktuelle Relevanz zu verleihen? Wofür noch mal wollen oder sollen sie ihr Leben opfern? Nichts berechtigt dazu, ihre Motivation mit dem Gerechtigkeitsimperativ jener jungen Leute gleichzusetzen, die zu Terroristen wurden in einer Zeit, wo für sie die grausamen Leiden des russischen Volkes zu übersehen, Mittäterschaft bedeutet. – So aber wird in dieser Inszenierung die Begegnung mit jenen Menschen, denen Camus ein Denkmal setzte, verwehrt!

Daher soll hier noch der Schluss des Originals zur Kenntnis gebracht werden, in dem sich, in der Verbundenheit zweier Liebenden über Gefängnismauern hinweg und über den Tod hinaus, der tragische Höhepunkt des Stückes findet! In seiner Zelle, die Hinrichtung vor Augen:

Kaljajew  … kann man sich nicht jetzt schon vorstellen, dass zwei Menschen auf alle Freuden verzichten, sich im Schmerz lieben und auf keine andere Begegnung mehr hoffen können als im Schmerz? Kann man sich nicht vorstellen, dass der Strick diese beiden Menschen vereint?“

Und Dora, die jedes Detail der Hinrichtung wissen will. Sie beharrt auf dem tröstlichen Gedanken, dass Kaljajew, ihr Janek, glücklich gewesen sei im letzten Augenblick. Und dieses Glück, ein letzmögliches wie ihr scheint, erhofft sie  auch für sich:

Dora  (zu Annenkow) … tu dies eine für mich: Gib mir die Bombe. (Annenko sieht sie an.) Ja, das nächste Mal: Ich will sie werfen. Ich will sie als erste werfen.

Annenkow  Du weißt doch, dass wir in der vordersten Reihe keine Frauen wollen

Dora  (mit einem Aufschrei) Bin ich jetzt etwa eine Frau? (alle sehen sie an. Stille.)

Woinow  (leise) Sag ja, Borja

Stepan  Sag ja.

Annenkow  Du warst an der Reihe, Stepan.

Stepan (schaut Dora an)  Sag ja. Sie ist jetzt wie ich.

Dora  Du wirst sie mir geben, nicht war? Ich werde sie werfen. Und später dann, in einer kalten Nacht …

Annenkow  Ja, Dora.

Dora (weinend)  Janek! In einer kalten Nacht, und mit demselben Strick! Jetzt wird alles leichter sein.“

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Dieses Finale ist mit den Ambitionen der Regie nicht zu realisieren, zumal nachdem die Inszenierung noch einen weiteren dramaturgischen Knalleffekt zu verkraften hatte. Sie machte Kaljajew zum Werkzeug eines von langer Geheimdiensthand vorbereiteten politischen Mordes zwecks Installation einer neuen Präsidentin. Ob der enttarnte und von Dora gerichtete Annenko davon wusste, bleibt offen. Ebenso, ob die übriggebliebenen Drei in Verblendung weiter morden dürfen. Jedenfalls scheint, nun unter Führung von Dora, ihr Wille gefestigt und ihre Absicht besiegelt. Sie recken in einer Schlusspose die Fäuste zum Schwur empor, der Eiserne Vorhang hebt sich und ein glutrotes Inferno tut sich auf!

Nachtrag

„Camus, der empathische, mit glutvoller Wärme begabte Humanist: In seinen Theatertexten und auf der Bühne kommt er uns besonders nah; so war es zu seinen Lebzeiten und so ist es heute, gut fünfzig Jahre nach seinem Tod.“*

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*Hinrich Schmidt-Henkel in seinem Nachwort zu „Albert Camus‘ Sämtliche Dramen in     Neuübersetzung. Erweiterte Neuausgabe September 2013. Rowohlt Verlag GmbH

 

 

 

 

Bachs Hinrichtung und Auferstehung

19 Jan

zum 3. Philharmonischen Konzert am Theater Vorpommern

Die andere Kritik (9)

Greifswald. Am 17. Januar erklangen im ausverkauften Theatersaal, wie sich’s die Kanzlerin für Elphis Eröffnungskonzert gewünscht hätte – ganze Werke, und man durfte zwischendurch auch klatschen.

Für das Konzert wurde Bachs Passacaglia, ursprünglich für Orgel komponiert und voll von religiöser Symbolik, in einem Arrangement von Stokowski gewählt, weil dieses wohl geeignet schien, die geniale Musik zum populären Event und passenden Einstieg werden zu lassen. In der Tat ist Bachs Musik so stark und in ihrer oft komplizierten Struktur auch wieder so klar, dass sie sich, bei einigem Talent und Geschick der Ausführung, auf jedem Instrument und in jeder Besetzung ihres beglückenden Wesens entäußern kann.

Dazu allerdings kam es an diesem Abend nicht!

Gleich zu Beginn, als hätte es schon geahnt, was ihm nicht blüht, schlich sich das eindringliche Ostinato-Thema gleichsam wesenlos ins Ohr der Zuhörer. Selbst schon Ereignis, hätte es auf Kommendes vorbereiten können … Doch statt ziselierender Formgebung wurde durchdirigiert. Golo Berg schien allein sich auf den Gang der Musik zu verlassen, wenn denn nur jeder seinen Einsatz bekäme. Aber das eben reichte hier nicht. „Bach“ ließ so sich nicht bannen. Was Stokowski instrumentierend schaffen wollte, eine Verdeutlichung der Strukturen, eine auch für ungeübtere Ohren leichter mögliche Verfolgung des kunstvollen Weges des Ostinatos, das immer wieder seine Basis in den Bässen verlässt und durch die verschiedensten Stimmen wandert, blieb auf der Strecke – und damit zugleich jegliche Sinnhaftigkeit des Ganzen. Das Dirigentenpult wurde zum Richtblock. Wozu ermuntert hätte werden sollen, verkehrte sich in einen Kampf „Jeder gegen Jeden“. Da fügte wenig sich zusammen, und wo Stimmen, allein gelassen, sich zu behaupten versuchten, richteten sie sich gegen das Ganze. Was Geigen in Beethovens Egmont-Ouvertüre sinnvoll mit einem einzigen „Kopf-ab“-Strich schaffen, gelang hier permanent, wenn auch unfreiwillig, vor allem den hohen Streichern mit disparaten Klangschlägen – ein einziges Schlachtfest!  Da war nichts mehr zu hoffen und zu retten. Auch nicht mit hilfloser Lautstärke und äußerlich bleibenden Temposchwankungen, die ihren Höhepunkt fanden in den überdimensionierten Ritardandi vor Beginn der Fuge und am Ende, das eher als ein glückliches, den Eindruck eines orchestralen Suizidversuchs machte. Das Publikum war’s zufrieden, und das Konzert konnte weiter seinen Lauf nehmen!

Und es erklang Karl Amadeus Hartmanns „Concerto funèbre“ – im besten Sinne des Wortes, es klang! Mika Seifert entlockte seiner Geige so wundervoll traurige Töne, als wäre das Stück eigens für ihn geschrieben. Souverän dominierte seine Geige das Konzert vom ersten bis zum letzten Ton. Hier wurden auch Dirigent und Orchester, nun als Streichorchester, ihrer Rolle gerecht. Sehr berührend für den, der sie kennt, auch die „liedartige Melodie“, die zu Beginn des vierten Satzes das Orchester intoniert und die dann später vom Solisten aufgegriffen wird: „Unsterbliche Opfer, ihr sanket dahin…“ Hätte man sich auch ein wenig mehr Enthusiasmus bei der Entwicklung des  dritten Satz gewünscht, so war dies Konzert, um es vorwegzunehmen, doch der künstlerische Höhepunkt des Abends.

Und dann geschah etwas Versöhnliches. Bach, der auf offener Szene erschlagen worden war, feierte seine Auferstehung durch Mika Seiferts nach- und eindrückliche Zugabe: er spielt Bach, wohltönend, sinnvoll und unaufgeregt schön! Das Publikum hatte es bemerkt und applaudierte dankbar…

Nach der Pause dann Brahms‘ Vierte. Wer kennt sie nicht? Oder anders: Wer kennt sie? Aber machen wir es kurz. Schon der erste Satz trat auf der Stelle. Wo blieb die Eleganz, wo die herbstliche e-Moll-Melancholie? Der zweite Satz litt an einer Behäbigkeit, die er vom ersten mit dessen halbem Tempo geerbt zu haben schien. Der dritte Satz begann zögerlich, bevor er an Fahrt aufnahm. Und der vierte? Es fehlte die gehörige Stringenz, die diesen Satz nicht hätte auseinanderfallen lassen. Dafür aber – meistens laut, zu laut! Und auch hier, täuschte man sich über „das Einfache, das schwer zu machen ist“, oder, noch einmal anders – das Schwere, das  s o  einfach nicht zu machen ist?

Aber was solls: es nahm ein Ende.

Der „Ring“, der nicht gelungen

18 Nov

  „Gyges und sein Ring“ am Theater Vorpommern – die andere Kritik (8)

Vieles gibt es, an dem Liebe und Leben scheitern und zugrunde gehen kann. Wo Liebe und Leben sterbend in eins fallen, finden Dichter den Stoff für ihre Tragödien. Wie aber, wenn Hybris, Eitelkeit und Tabubruch den Helden selbst zu Fall bringen?

Das Theater Vorpommern hat mit Friedrich Hebbels „Gyges und sein Ring“ eine „Tragödie“ auf die Bühne gebracht,  deren Sinn und Tragisches sich uns heute schwer erschließt. Das lässt Fragen aufkommen gleichermaßen an das Stück wie an seine Inszenierung. Ich las es im Original nach dem Besuch der Greifswalder Premiere. Das Lesen hernach hat den Vorteil, sich unbefangen den Überraschungen der Bühne aussetzen zu können. Allerdings mischt sich dann das Gesehene beim Lesen ein und begrenzt die eigene Phantasie. Dies störte nicht. Die Figuren, die ich gesehen hatte, nahmen auf, was ich las, und gaben, so bereichert, dem Gelesenen ihr Gesicht. Das Theater hatte mich nach der Vorstellung ratlos entlassen – die Lektüre gab meinen Fragen neuen Stoff, und das Nachdenken verhalf zu kritischer Orientierung.

Hebbel bedient sich eines alten, auf realen historischen Ereignissen um 680 v. Ch. beruhenden Mythos‘. Ausführliches dazu von Wolf Banatzki.

Hebbel kommt mit kleiner Personnage aus:

Kandaules, König der Lydier,

Rhodope, seine schöne Gemahlin aus einem fremden Kulturkreis

Gyges, ein Grieche, Freund Kandaules

Thoas, treuer Sklave und Vertrauter Kandaules

Lesbia und Hero, Sklavinnen und Dienerinnen Rhodopes

Karna, ein getreuer Sklave und Vertrauter Rhodopes und das Volk wurden für diese Inszenierung gestrichen. Dafür ein auf den ersten Blick interessanter Regieeinfall, den Ring als Person, als eine Tanzende auftreten zu lassen.

Die Handlung (nach Lesen des Stückes)

Kandaules hat eine Frau, deren überwältigende Schönheit er preist. Er hat ein zweifelhaftes Problem, kein anderer Mann außer ihrem Vater hat sie je gesehen. Sie tritt nur verschleiert in der Öffentlichkeit auf. Kandaules hat weniger Charakter als Individualität. Kandaules schert sich um die Mechanismen von Herrschaft wenig. Er versteht sich, um in heutigem Jargon zu reden, als Modernisierer, ohne sich von einer historischen Notwendigkeit tragen zu lassen. Das Volk murrt. Er geht darüber hinweg. Ihn bestimmen eigene Willkür und Hybris – im Politischen wie im Privaten.

Dieser Hybris leistet Gyges in naivem Freundschafts- und Gefolgschaftswahn Vorschub. Er überlässt Kandaules leichtfertig einen gefundenen Zauberring. Einen „Königs-Ring“, wie Gyges ihn nennt, dessen Tarnkappenfunktion er durch eigenes Erleben dramatisch beschreiben kann.

Kandaules erprobt den Ring sogleich inmitten des Lagers seiner Feinde.

Sein eheliches Verhältnis zu Rhodope scheint nicht unproblematisch zu sein: im Banne ihrer Schönheit muss er gelegentlich um Küsse betteln. Er scheint es nötig zu haben, vor ihr mit dem Ring prahlen zu müssen.

Rhodope ist nicht nur schön, sondern auch klug – seherisch graust ihr vor den Folgen des Ringes in seiner Hand, und überhaupt: alles zu sehen und selbst ungesehen zu bleiben, ist den Göttern vorbehalten. Ein Ring, der diese Kraft verleiht, muss auch den Besten zum bösen Zauber werden. Sie fleht ihn an, den Ring in ein tiefes Gewässer zu werfen – oder ihn ihr zu geben.

Nicht seine Liebe, seine Eitelkeit ist größer als sein Machtinstinkt. Und da sieht er nun, in völliger Verkennung ihres Wesens, eine Chance, ihre Schönheit öffentlich zu machen: er könne vom Ring lassen, wenn sie sich mit ihm auf dem Fest unverschleiert zeige.

Rhodope: „Wie kann ich! / Du holtest dir von weit entlegner Grenze / Die stille Braut, und wußtest, wie sie war. / Auch hat’s dich einst beglückt, daß vor dem deinen / Nur noch das Vaterauge auf mir ruhte, / Und daß nach dir mich keiner mehr erblickt.“

Für’s erste schrickt er zurück. Doch er ist besessen von dem Gedanken, sich wenigstens von Einem ihre Schhönheit bestätigen zu lassen. Mit Hilfe des Ringes hofft er, Rhodope überlisten zu können. Dieser Eine kann nur sein treuester Freund sein. Gyges lässt sich, widerstrebend zwar, überreden, den Ring zu tragen und folgt Kandaules in ihr Schlafgemach.

Kandaules, der Text deutet es an, verlässt Rhodope vor Gyges. Dieser verliebt sich erwartungsgemäß. Was sich dann im Schlafgemach zugetragen hat, bleibt im Dunkeln. Nur soviel lässt uns Hebbel wissen: Gyges kommt in den Besitz ihres Halsschmucks, den er später Kandaules übergeben wird – als Bekenntnis einer größeren Schuld? Gyges begehrt jedenfalls, den begangenen Frevel durch Tod von Freundeshand zu sühnen. Kandaules, als aufgeklärter Herrscher, will davon nichts wissen.

Rhodope ist durch das nächtliche Geschehen tief verstört. Sie hatte Geräusche unbekannter Herunft gehört und meinte, eine fremde Gestalt gesehen zu haben. Weitere Indizien erhärten ihre Ahnungen, und sie erwartet wie Gyges den Tod durch Kandaules. Kandaules versucht, ihren Verdacht zu zerstreuen. Doch Rhodope deckt nach und nach Trug und Lug auf.

Hebbels Sprache greift noch zum romantisch hohen Ton Schlegel’scher Shakespeareübertragungen. Aber das geliehene Pathos klingt hohl, ja falsch. Was sind am Ende die schwer verdaulichen Freundschaftsbeteuerungen wert! Sind sie versehentlich oder absichtlich Ausdruck einer von den Protagonisten uneingestandenen Fragwürdigkeit ihrer Beziehungen? „Hast du einen Freund hienieden, trau ihm nicht zu dieser Stunde, freundlich wohl mit Aug‘ und Munde, sinnt er Krieg im tück’schen Frieden.“ Diese Zeilen von Eichendorff, wirkmächtig bereits 1840 von Schumann vertont, dürften Hebbels Ohr nicht verfehlt haben – Spuren des Zeitgeistes …

Ist Hebbel sich des Missverhältnisses zwischen der von ihm gewählten Sprachform und der Brüchigkeit alles von ihm reflektierten Gesellschaftlichen, das er in „Gyges“ zur Sprache bringt, bewusst? Verfremdung als Tarnung?

In der Aufführung am Theater Vorpommern sind Spuren von Skepsis dem Text gegenüber nicht zu finden. Und so  kann den Darstellern auch nicht verübelt werden, dass die äußerliche Brillanz des von ihnen Gesprochenen der Inszenierung nicht glaubwürdig Glanz verleihen kann.

Die Stückwahl war ein Missgriff – vermutlich verführt durch ein unreflektiertes Assoziieren von problematischen Details im Stück mit politischen und kulturellen Problemen unserer Zeit. Zum Beispiel:

Die Verschleierung – kulturell-religiös Identität stiftend dort, denunziert als Ausdruck von Frauenfeindlichkeit und Fremdenfeindlichkeit fördernd hier.

Der Zauberring – als eine andere Form der Verschleierung, auf Geheimdienste verweisend, die sich als „Auge Gottes“ gerieren, als Gefahr für jedes Private, als Gefahr für die zivile Gesellschaft.

„Gyges und sein Ring“ durch solcherlei Aktualitäten aufzubürsten, ist nicht gelungen – anderer Sinn war nicht in Sicht – und der Sinn, den das Stück einst gehabt haben mag, bleibt uns verschlossen! Wahrscheinlich würde jeder dergestalt scheitern. Aber eben: nicht jeder versuchte es.

André Rößler (Regie) scheiterte zumindest an seinem eigenen Anspruch. Für ihn „hat Theater grundsätzlich zwei Aufträge: Zum einen sind wir wichtiger Teil der Unterhaltungsindustrie (sic!) und zum anderen muss sich Theater aber kritisch mit seiner Gegenwart auseinandersetzen, denn es hat einen gesellschaftspolitischen Auftrag: Haltung zur Welt, um Kritik an gesellschaftlichen Missständen zu üben.“ … „Es gilt auf der Bühne die Frage nach den Profiteuren dieser Missstände zu stellen, um so einen Blick hinter die Fassade, auf die Mechanismen zu werfen.“ … und weiter: das „ist der Weg, dem sich das Theater verschreiben muss, um nicht bei der Erschließung neuzeitlicher Sinnstiftungspotentiale auch sehr alter Geschichten auf der Strecke zu bleiben.“*

Rößlers diffuse Befürchtung, „auf der Strecke zu bleiben“ wurde für „Gyges und sein Ring“ Realität. Sehenden Auges, wenn denn der in die Spielzeit einführende Text des Chefregisseurs von ihm selbst mit Leben gefüllt gedacht worden ist! Im Übrigen, auch die vielen klugen Zitate, die fünfzehn Seiten das Programmheftes zieren, sind für ein Verständnis von Stück und Inszenierung wenig hilfreich. Waren sie es dem Regisseur?

Dieses Scheitern, das Fehlen von Sinnstiftendem lässt die einzelnen Momente der Inszenierung nicht unberührt. Es will sich so recht nichts zusammenfügen.

Das Bühnenbild (Simone Steinhorst): zeltähnlich nach oben zu einer Mitte strebende, im Halbrund der Drehbühne angeordnete weiße ausklinkbare elastische Bänder, lassen ideale Räume entstehen. Sinnvoll bespielt, könnten sie dezent ihre Symbolhaftigkeit zur Geltung bringen. Doch das Spiel in und mit dem Bühnenbild, mit den Bändern kommt über formales Agieren nicht hinaus und hat sich bald erschöpft. Zu bemüht: Schaut, was wir alles mit den Bändern machen können!

Die Musik: Als solche ist sie am besten geschlossenen Auges zu würdigen. Manche Leere füllend, manchmal zu laut, bleibt sie Dekor und unangemessen vordergründig.

Die Personen: Kandaules (Marco Bahr) und Gyges (Alexander Frank Zieglarski), die beiden Hauptakteure, können in ihren Rollen wenig Profil gewinnen. Kandaules‘ Obsession mangelt es an überzeugender Intensität, und Gyges kann man schwerlich seine Befähigung zum künftigen Herrscher abnehmen. – Zynisch könnte man fragen, woher sollen die Charaktere auf der Bühne kommen, wenn die Gesellschaft ihrer so gänzlich ermangelt? Aber ernstlich: Wo sollen Charaktere in schwierigen Zeiten überleben, wenn nicht auf der Bühne?

Rhodope (Claudia Lüftenegger) ist den Männern, die ihr verfallen, charakterlich weit überlegen. Das macht es ihr leichter, Kühle und Entsagung überzeugend zu spielen. Ihre tödliche Treue zu ihrer Einbindung in die väterliche Tradition kann so über die gebotene Rache hinaus auch ein persönliches Moment enthalten. Doch auch das bleibt eindimensional, mehr im Reden als im vermissten Spiel lebendig machender Nuancen.

Die beiden Sklavinnen, Lesbia (Sausanne Kreckel), und Hero (Frederike Duggen) schaffen es ihrerseits nicht, in jener verqueren Welt ein Gegengewicht zum hehren Dunstkreis ihrer Herrin auf die Bühne zu bringen. Das Stück bietet dazu wenig Gelegenheit, und die Regie verpasst sie.

Die vielleicht leichteste Übung hat Lisa Marie Schult gut gemeistert. Sie darf spielen, was bei Hebbel nicht vorgesehen ist: den Ring. Katzenhaft unbeschwert umschmeichelt und folgt sie ihrem jeweiligen Besitzer. Ein hübscher wie absurder Einfall! Denn kein Mittel, erst recht nicht ein Zauberring, darf sich verselbständigen, zum Subjekt werden! Wenn das geschähe, wäre in der Welt der Teufel los. Obgleich, unsere Wissenschaftler arbeiten daran!

Zum Schluss, doch nicht zuletzt: Lutz Jesse. Er gibt einen Diener „von der traurigen Gestalt“: Thoas hat schon Kandaules‘ Vater gedient. Nun ist er an den Junior gekettet, der „an den Schlaf der Welt“ rühren will, und doch die Kraft dazu nicht besitzt. Wäre er ein freier Mann, er würde demissionieren. Thoas sieht „die Schrift an der Wand“ und vermag doch seine Warnungen in den Wind zu reden. Das macht depressiv. Doch könnte die Rolle Größe haben, stille Größe, wie sie Dienern zu anderen Zeiten mitunter eignete. Der Text ließe es zu. Aber auch da verkennt die Regie ihre Chance und lässt den Mimen im Stich.

Das Resumee: „Hybris, Eitelkeit und Tabubruch“ können nicht nur Helden so scheitern lassen, dass ihnen der Ehrentitel eines „Tragischen Helden“ nicht verliehen werden kann. Auch „Theater“ kann an sich selbst scheitern, so, dass keiner mehr seinem Untergang eine Träne nachweint.

A L S O ,  S O  N I C H T !  N I C H T  W E I T E R  SO !

*A. Rößler: Spielzeitheft „PROFILE Spielzeit 2013/2014 theater vorpommern“. Die Zeichensetzung folgt dem Original. (Nebenbei – man muss sich schon sehr bemühen, um, trotz Kürzung, beim Verstehen dieses Bekenntnisses nicht auf der Strecke zu bleiben!)

Siehe auch: „Ein Netz der Beliebigkeit von Florian Leiffheidt

Porno am Theater – ein Mail-Wechsel

28 Aug

zu meinem Blogbeitrag: nach-dem-ende-oder-die-aufgabe-der-scham

Am 24.08.2013 18:33, schrieb andrea.eckert

Sehr geehrter Herr Aé,            

 

eigentlich wollte ich mit meiner 15-jährigen Tochter am 20.09.2013 das Stück „Nach dem Ende“ in Stralsund anschauen. Bisher kannte ich nur die Informationen von der Webseite des Theaters sowie die Kritik der Ostseezeitung.

 

Beim googlen nach weiteren Informationen bin ich nun auf ihr Blog gestoßen und mir nicht mehr sicher, ob ich das Stück einer 15-Jährigen zumuten kann/soll.

 

Ich bin sicherlich nicht prüde und mit einem nackten Mann auf der Bühne habe ich im 21. Jahrhundert auch kein Problem. Aber was sie da andeuten, scheint mir doch höchst bedenklich. Vor allem gibt es seitens des Theaters nirgends einen Hinweis auf solch explizite Szenen oder gar eine Altersbeschränkung/-empfehlung.

 

Da Sie nun das Stück schon gesehen haben:

– ist der männliche Darsteller komplett nackt?

– onaniert er tatsächlich sichtbar für die Zuschauer oder schiebt er vielleicht nur seine Hand in die Unterhose und deutet es mit rhythmische Bewegungen an oder steht dabei mit dem Rücken zum Publikum?

– ist eine (beginnende) Erektion zu sehen?

 

Falls Sie die letzten beiden Fragen mit ja beantworten, werde ich meine Karten definitiv zurückgeben. Vor allem muss das Theater im Vorfeld auf solche explizite Szenen hinweisen!

 

Vielen Dank für eine offene und ehrliche Antwort und viele Grüße

 

Andrea Eckert

Von: „Jost Aé“ [jost-ae@gmx.de]
Gesendet: Sa. 24.08.2013 20:59

Liebe Frau Eckert – es ist leider so, wie ich es beschrieben habe. Ob er komplett nackt war, kann ich nicht mehr sagen, wahrscheinlich nicht. Er onaniert auch nicht tatsächlich. Seine entsprechenden Körperpartien sind aber nackt und zu sehen. Das Onanieren wird sehr naturalistisch dargestellt, wenn auch weder echtes noch künstliches Sperma fließt. Z. B. wischt er sich seinen Schwanz hinterher an Papierfetzen ab. Immer dem Publikum zugewandt. Eine Erektion ist nicht zu erkennen – wie auch, bei dem Stress, den die Szene für den Schauspieler bedeutet. Ich kann allerdings nur für die Greifswalder Premiere sprechen. In einer anderen Szene zwingt ihn seine „Kontrahentin“ die Hose runter zu lassen, und dann packt sie sein bestes Stück, leibhaftig zu sehen, und droht, es abzuschneiden. Wenn Sie mich fragen, auch ich bin keineswegs prüde, es ist einfach nur peinlich – es bereitete mir Pein, mich in den Schauspieler als Mensch zu versetzen – wozu man bei einiger Sensibilität gezwungen ist. Aber dazu ausführlicher im BLOG-Beitrag.
Ich würde Ihnen als Mutter nicht empfehlen wollen, Ihre Tochter dem auszusetzen – egal was für Erfahrungen sie schon gemacht hat. Es könnte sein, dass Ihre Tochter es nicht toll findet, sich das in Ihrer Gegenwart (und auf Ihre Initiative hin) ansehen zu müssen. Das Internet bietet ja dies alles ohne Hülle und in Fülle an, in echt, und man wird seine Kinder kaum davor schützen können, wenn sie sich dergestalt „bilden“ wollen – aber mit Kunst hat diese Machart meiner Meinung nach nichts zu tun und auf dem Theater nichts zu suchen.

Was hielten Sie davon, wenn ich Ihren Text mit meiner Antwort in das BLOG einstelle? – ich tue es nicht, ohne Ihre Erlaubnis (Sie könnten auch anonym bleiben)!

Herzlichen Dank für Ihre Zuschrift und beste Grüße

Jost Aé

Am 25.08.2013 11:22, schrieb andrea.eckert…

Sehr geehrter Herr Aé,

 

vielen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort. Noch mehr muss ich Ihnen aber dafür danken, dass sie Ihre Kritik so deutlich ins Internet gestellt haben und mich so vor einem desaströsen Theaterbesuch bewahrt haben!

 

Ich sehe das genau so wie Sie: es ist eine Zumutung dem Schauspieler gegenüber, zumal man die Szene ja dramaturgisch auch hätte dezenter darstellen können (z. B. Hand in die Unterhose). Auch dass seine Schauspielkollegin seinen Penis in die Hand nimmt, muss ja absolut erniedrigend sein. Vor allem passiert das Ganze ja vor Publikum.

 

Gerne können Sie unsere Kommunikation in Ihrem Blog ergänzen, gerne auch mit meinem Namen, denn zu meiner ablehnenden Haltung stehe ich auch öffentlich.

 

Vielen Dank nochmals für Ihre Offenheit!

 

Herzliche Grüße

Andrea Eckert

„Nach dem Ende“ oder die Aufgabe der Scham

27 Mär

Pornographisches am Theater Vorpommern  Die andere Kritik (7)

 

Am 28. November hatte „Waisen“ von Dennis Kelly, inszeniert von Julia Heinrichs, im Greifswalder Rubenowsaal Premiere. Wie ich damals fand, eine rundum respektable Leistung des Schauspiels unter der Ägide des neuen Intendanten Dirk Löschner.

Am 10. März nun gab es am selben Ort wieder eine Premiere: „Nach dem Ende“, ebenfalls von Dennis Kelly, diesmal eine Übernahme aus dem Theater der Altmark Stendal. Regie: Julia Heinrichs; Dramaturgie: Sascha Löschner.  

Nach spätem Einlass: ein Zuschauerpodest und eine davor aufgebaute Guckkastenbühne (Bühne und Kostüme: Julia Heinrichs). Im dämmrigen Schatten des Saallichts warten, links und rechts postiert, Louise (Frederike Duggen) und Mark (Sören Ergang) auf den erlösenden Stückbeginn. Den bringt ein Lichtwechsel. Man befindet sich in einem karg möblierten Raum, links metallenes Doppelstockbett, rechts Kiste, an der Decke Neonröhren und eine Luke mit Kette. Betongrau.

Das Zweipersonenstück beginnt mit einem reichlich chaotischen Dialog, aus dem sich erst nach und nach erschließt, was die beiden in diesen unwirtlichen Raum gebracht hat und sie dort gefangen hält. Was sie reden, bleibt ambivalent, wie ihr beider Verhalten. Louise, die einen Filmriss hatte, beginnt an Marks Ehrlichkeit zu zweifeln. Verdächtigungen. Mutmaßungen über das, was wirklich passierte, und die Absichten von Mark.

Vor unseren Augen entwickelt sich eine Beziehungskiste unter verschärften, ausweglos erscheinenden Bedingungen. Dass „Nach dem Ende“, so Sascha Löschner, „die ultimative Parabel auf den 11. September und seine Folgen“* sei, scheint weit hergeholt und bleibt für das Geschehen auf der Bühne unerheblich.
Seine Dynamik erhält das Beziehungsdrama durch vielschichtige, dennoch durchsichtige Motive, die den unterschiedlichen Charakteren und einem fragwürdigen geschlechterspezifischen Rollenverständnis der beiden geschuldet sind.

Mark und Louise werden in ihrer hoffnungslosen Verstrickung blind für die mörderischen Konsequenzen, die sie heraufbeschwören. Angst und Machtrausch, je nach erkämpftem Besitzwechsel eines längeren Küchenmessers. Die Handlung treibt unaufhaltsam in die Katastrophe. Die Rettung kommt in letzter Minute von außen.

‚Nach dem Ende‘, so ist auch die Schlussszene überschrieben, besucht sie ihn im Knast. Er unterzieht sich gerade einer Therapie, sie hat die ihre abgebrochen, sie kann mit ihrer Therapeutin nichts anfangen. Sie provoziert ihn mit kleinen Grausamkeiten, die nicht mehr verfangen. Er will keinen Streit mit ihr.  Eins aber wird klar, auch sie ist nun von ihm abhängig – ein Ende dieser Geschichte ist nicht abzusehen.

Frederike Duggen, die am Abend zuvor die „Julia“ gab, spielt die „Louise“ mit großer Härte und zynischer Stringenz, völlig aufgehend und zum Untergang bereit in einer Art Geschlechterkampf gegen das „Arschloch“ Mark. „Ewig hinanziehend Weibliches“ ist in ihrer Rolle nicht angelegt. Ob sie ihrer Koketterie, mit der sie Mark zu provozieren hat, ein wenig Charme hätte beifügen können? Aber es war auch so gut. Denn wollte man Zeitbezüglichkeit herstellen, dann bot sich ja genau hier eine Gelegenheit: seelenlose Gesellschaft – psychische Verkrüppelung.  

Mark (Sören Ergang) ist in Wahrheit der Unterlegene, der geistig Schwächere, ein in Louise verliebter Loser, der den ständigen Herabsetzungen durch sie nicht gewachsen ist. Ebenso wenig kann er mit der schlecht kalkulierten, vielleicht sogar spontanen Entführung Louises umgehen. Ergang spielt mit großer Überzeugungskraft die für Mark nicht aushaltbare Erkenntnis, dass sein Liebeskonzept nicht aufgeht, dass er auch trotz Einsatzes seiner körperlichen Überlegenheit bei ihr nicht zum Zuge kommt.

So weit, so gut, wenn es denn dabei geblieben wäre!

Die Regisseurin geht mit der Zeit. Sie scheint sich einer Art „Marktprinzip“ verpflichtet zu fühlen, wonach jedes neue Modell die alten toppen muss, und sei es im Äußerlichsten. So verfiel sie darauf, in ihrer Inszenierung all das zeigen zu wollen, worum sich die anderen bisher „herumgedrückt“* hatten.

Für Sören Ergang bedeutete das, die „Herausforderung“ annehmen zu müssen, „in dem Stück im wahrsten Sinne des Wortes alle Hüllen fallen zu lassen, schutzlos zu sein.“* Zitat: „Als Schauspieler keine Scheu zu haben, alles zuzulassen – das musste ich so radikal vorher noch nie.“* 

Worum ging es?

Zum Beispiel um folgende Regieanweisung des Autors aus dem Textbuch:

 „Sie sitzt angekettet an ihr Bett, er sitzt am Tisch, masturbiert, spricht mit sich und murmelt unverständliche Wortfetzen. Er blickt bewusst zu ihr rüber, aber so, als wäre sie gar nicht da. Das geht so eine ganze Weile. Er kommt. Wischt sich mit den Dungeons und Dragons-Blättern ab. Sitzt keuchend da, seinen Schwanz in der Hand. Er sieht sie von unten an, als nähme er sie zum ersten Mal wahr. Senkt den Blick. Beginnt zu weinen. Fängt an, an sich herumzuspielen. Bekommt eine Erektion. Masturbiert wieder, starrt sie an, immer noch weinend. Sie starrt ausdruckslos ins Nichts.“

Die Regie will das ernst nehmen. Das schwarz auf weiß Gedruckte scheint zu suggerieren, es sei wörtlich gemeint.

In einem Roman ginge diese pornographische Szene so durch. Aber auf der Bühne?

Ernstnehmen scheint hier zu bedeuten, so viel zu zeigen, wie physisch in der stressbesetzten Bühnensituation möglich ist. Und Hinrichs setzt es durch, und Ergang um: Marks entblößten Unterleib, seinen Schwanz und dessen Manipulationen sowie das geforderte Keuchen. Erektion und Ejakulation („Er kommt.“) wird der Phantasie des Betrachters überlassen.

Vorab berichtet die Presse: „Nichts für schwache Nerven“*. Nicht nur dem Schauspieler, auch „den Zuschauern werde nichts erspart.“* Allerdings, was da genau passiere, wollten „Löschner und die Regisseurin nicht verraten.“*

Die Regie ging mit den pornographischen Momenten der Textvorlage um, als produzierte sie Filmszenen. Sie vernachlässigte, dass das Verhältnis zwischen den Darstellern auf der Bühne und ihrem Publikum ein gänzlich anderes ist als beim Film – insbesondere bei entsprechenden Filmen.

Ein Schauspieler spielt in der Regel peinliche Situationen seiner Figur, ohne dass ihm das peinlich sein müsste, wenn er denn gut spielt. So wie der Zuschauer sich nicht für den Schauspieler schämen muss, da er ihn nicht mit der von ihm gespielten Figur verwechselt.

Masturbieren ist nun anerkanntermaßen sowohl eine intime als auch triviale, als solche schon im Tierreich anzutreffende Handlung zur sexuellen Lustgewinnung. Sie ist beim Menschen situationsbedingt an ein gewisses Schamgefühl gebunden. Spricht man doch auch nicht von falscher Scham, wenn einer dies in aller Öffentlichkeit zu tun vermeidet. Im Gegenteil.

Um auf die zitierte Regieanweisung zurückzukommen: Man kann und  man muss sie deuten als die Beschreibung dessen, was auf der Bühne zwischen den Protagonisten geschieht, nicht als Beschreibung von etwas, das eins zu eins vom Zuschauer gesehen werden soll. Das heißt, dem Publikum muss nicht, ja darf nicht in natura vorgeführt werden, dass und wie masturbiert wird. Nur so ist der Zuschauer kann frei ermessen, was es für Mark und Louise bedeutet, wenn er es in dieser Situation in ihrer Gegenwart tut.

Es ist also ein grobes Missverständnis, zu meinen, die platte Konfrontation mit dem obszön Trivialen wäre das vom Autor Gewollte. Denn indem man das Masturbieren indiskret am entblößten Subjekt zeigt, entzieht es sich, wie oben gezeigt, seiner eigentlichen dramaturgischen Bedeutung, fällt sozusagen aus dem Rahmen des Stücks, verselbstständigt sich und wird, quasi ins Performatorische gewendet, zum Selbstzweck.

Während sich Louise von Marks demonstrativem Sichselbstbefriedigen wenig beeindrucken lässt,  soll dem Publikum genau dies nicht erspart werden. Warum eigentlich?

Das Publikum dergestalt zum Objekt zu machen, rächt sich. Denn dramaturgische Absicht kann nicht sein, was nun passiert:

Das Publikum kann den Schauspieler und seine Rolle nicht mehr unterscheiden. Die Leute versetzen sich in seine Lage als Tabubrecher, sie fühlen sich in den Menschen ein, sie empfinden die Scham dessen, der sich nicht schämen darf. Da hilft auch nicht, dass Ergang beteuert: „Die Psychologie dieser Figur hat mit mir nichts zu tun.“* – Das Triviale hat als Selbstzweck der Regie von ihm Besitz ergriffen … Es ist nur peinlich!

Denn: Tabubruch wird nicht zu Kunst, nur weil man ihn auf der Bühne begeht. Der Mut, den die Regisseurin hier vom Künstler verlangt, hält keinem künstlerischen Kriterium stand, er ist kein Mittel, künstlerische Horizonte und Fähigkeiten zu erweitern, was gleichermaßen Künstlern und Kunst diente. Dieser Mut taugt einzig dafür, berechtigte Scham zu überwinden, gewissermaßen schamlos zu machen. Dieser Mut lässt den Künstler zum Mittel ehrgeiziger Willkür werden.

Das alles bleibt nicht folgenlos: Es beschädigt die Person des Darstellers, die Inszenierung selbst und nicht zuletzt die Idee eines humanen Theaters. Unabdingbar stellt sich deshalb die Frage nach künstlerischer Verantwortung und einem Berufsethos, das sich der Wahrung der Würde eines jeden einzelnen Menschen verpflichtet fühlt!

*Zitat aus Greifswalder OZ/Lokal vom 9./10 März 2013

 

Romeo und Julia am Theater Vorpommern

15 Mär
SHAKESPEARE ODER BRASCH ODER WAS – Die andere Kritik (6)

Am 2. März gab es am Theater Vorpommern in Greifswald eine Premiere. Auf dem Spielplan stand:

 William Shakespeare/Thomas Brasch
Romeo und Julia –
Liebe Macht Tod

Was durften die Besucher auf diese Ankündigung hin erwarten? Die älteren kennen ihren Shakespeare mehr oder weniger, die Jüngeren eher nicht. Aber wer kennt Thomas Brasch? Ließ sich das Theater durch diesen Umstand dazu verleiten, Etikettenschwindel zu betreiben? Grundlage der Inszenierung war doch immerhin nicht Shakespeare, sondern Thomas Braschs

 LIEBE  MACHT TOD
oder
Das Spiel von Romeo und Julia
nach William Shakespeare

Das ist dem Programmheft nicht zu entnehmen. So bleibt im Trüben, was das Publikum berechtigt ist zu erfahren. Auch sonst ist auf den 26 Seiten nichts Erhellendes über das Zustandekommen, über Ideen oder Absichten dieser Inszenierung zu erfahren. Leider!

Wer Brasch gelesen hat, kann feststellen: Shakespeare wird von Brasch auf hohem Niveau auf für ihn Unverzichtbares reduziert und mit neuen Elementen angereichert. Seine Adaption wurde so zu einem eigenwilligen und eigenständigen Stück. Die Regie/Dramaturgie (André Rößler/Sascha Löschner) dünnt nun wiederum Brasch erheblich aus und nimmt ihm dabei genau das, was seine Originalität ausmacht. Die Wahl fiel vermutlich auf Brasch, weil dessen Übersetzung der Regie  geeigneter erschien, sexistische und sexualisierende Sequenzen deutlicher herauszuarbeiten, da sie nicht versuche „Shakespeare zu glätten“ (Roßner/OZ) und sie „die derbe Sprache … des Elisabethanischen Zeitalters“ wiedergebe. Diese dann ins Pubertär-Ordinäre zu transponieren, bleibt anscheinend schon obligatorischem Onanier- und Kopulationsgebaren vorbehalten.

Ob diese Tendenz nun wirklich für eine Kritik an „der heutigen Zeit des Turbokapitalismus“ (OZ) taugt, die im Übrigen als Fehlanzeige verbucht werden kann, oder ob es eher auf eine Banalisierung von Theater selbst zurückweist, das einem kaputten Zeitgeist erliegt, statt ihm zu widerstehen, mag der Zuschauer selbst entscheiden.

Worum es sich nun aktuell bei Shakespeare/Brasch handelt, die eigentliche Handlung, wird durch Streichungen, Umstellungen, Zusammenfassung von Rollen und Simplifizierungen von Ort und Zeit sinnvoll nicht mehr nachvollziehbar.

Dazu trägt bei, dass die vom Regisseur bemühte „Zeichenhaftigkeit“ (OZ) des Theaters, die angeblich so „viel mehr bewirken“ kann als „eine historisierende Aufführung“, sichtlich überstrapaziert wird. Wo Sinn fehlt, kann auch ironisch Gemeintes nicht weiterhelfen. Wird bei  Brasch noch Gift genommen, erstochen und erschlagen, um ins Jenseits zu befördern, wird dies nun durch Laser-Schwertimitationen, ein zu kompakt geratenes Rasiermesser, eine schallgedämpfte Pistole oder schlicht durch einen am Herzen zu zerdrückenden Luftballon erledigt. Eine Videowand sendet hintergründige sich bewegende Bilder und designte Lichteffekte zu vordergründiger Handlung, und bei Jugendlichen beliebte Metal-Sounds untermalen Prügel- und Fechtszenen. Und…  jeweils in Grün oder Rot gehaltene Kostüme werden bemüht, die verfeindeten Familien besser kenntlich zu machen. Und…

Überhaupt, die Kostümierung (Simone Steinhorst)! Sie ist wenig geeignet, den Darstellern hilfreich zu sein bei der Erarbeitung eines ernst zu nehmenden Charakters ihrer Figuren. Liebe, die von Belang sein will, kommt ohne Charakter, ohne innere Schönheit, ohne das Wunder der gefühlten Einmaligkeit zweier sich Liebender und die daraus erwachsende Kraft, auch den Tod auf sich zu nehmen, nicht aus. Das will gespielt sein. Aber dieses Spielen gelingt nicht. Ist das Talent der jungen Schauspieler überfordert, oder ist es die Regie?

Romeos (Felix Meusel) und Julias (Frederike Duggen) Agieren bleibt zu beliebig, gerade dann, wenn sie von Liebe sprechen. Gleichmütig lässt Rößler sie oft choreographisch, wie auch die anderen Figuren, zu ihren Szenen aufmarschieren. Romeo, mit mickriger Gitarre ausstaffiert und jämmerlichem Singsang, soll er ironisch punkten? Und wenn die beiden sich nah kommen, vermitteln sie die Distanziertheit einer Stellprobenatmosphäre. Coolness muss zwar nicht enden, wo die Intimsphäre beginnt, wohl aber hat sie im Bezirk liebender Intimität nichts zu suchen. Und so bleibt das Paar blass, bis es im Tod erbleicht.

Was für das Liebespaar den sofortigen Tod bedeuten würde – holzschnittartiges Karikieren, findet desto lebhaftere Anwendung beim übrigen Personal.

Paris (Ronny Winter), bei Brasch „ein Edelmann von Adel, Mann mit Geld und Gütern“, verkommt zu einer Witzfigur, zu einem selbstverliebten Geck mit psychopathischen Zügen.

Julias Mutter Lady Capulet (Gabriele Völsch a.G.) muss die Schlampe geben, die andeutungsweise was mit Tybalt (Alexander Frank Zieglarski) hat, der stets ungestüm und im Kostüm eines jungen Rübezahl auftreten darf.

Julias Amme (Monika Gruber a. G.) hat so gar nichts Mütterliches und geriert sich als geile Maulheldin, dass man fragen muss, warum Julia an ihr hängt und ihr vertraut.

Die Eltern Romeos, die Lady wurde gleich ganz gestrichen, spielen faktisch keine Rolle.

Blass auch Vater Montague (Jan Bernhardt). Er absolviert unaufwendig seine Auftritte in einem an Waldwirtschaft erinnernden Gutsverwalterlook.

Benvolio (Sören Ergang) und Mercutio (Dennis Junge), die hier mit gestrichenem Gesinde verschmelzen, bekommen keine Chance, anders denn als zweifelhafte Freunde und Raufbolde in Erinnerung zu bleiben.

Zalando (Marco Bahr) ist der Geniestreich dieser Inszenierung! Die Rolle wurde erfunden, um für den Zusammenhalt dieser Inszenierung notwendig ausgewählte Funktionen von gestrichenem Personal   zu erfüllen (Bruder Laurence, Prinz etc.).

Bahr tut, wie immer, sein Bestes und gibt ein schillerndes Faktotum, das seine unmaßgebliche Wichtigkeit beherzt über die Rampe zu bringen sucht, die Zuschauer quirlig durchs Programm führt und sie kurzzeitig die Ungereimtheiten seiner mit platten Zeitbezüglichkeiten angereicherten Figur vergessen lässt. – Recht glücklich scheint er in dieser Rolle nicht zu werden, bleibt Zalando am Ende doch auch nur eine Karikatur – man weiß nur nicht, wovon.

Scheinbar unbeeindruckt von alledem: Markus Voigt als Capulet. Souverän und glaubwürdig umschifft er die Untiefen und Klippen dieser Inszenierung. Man nimmt ihm alles ab: seinen ehelichen Überdruss, sein Wissen um das Treiben seiner Frau und die Intrigen der Amme, seine Liebe zu Julia, die sein einzig Glück und Trost ist, sein autoritäres Auftreten und sein Pochen auf bedingungslosen Gehorsam, die Ausblendung der Verzweiflung, in die er seine Tochter stürzt und letztlich auch seinen Schmerz über ihren Tod und seine Reue.

Markus Voigt gelingt die Verkörperung eines zutiefst widersprüchlichen Charakters durch ein großes Talent und ein reichhaltiges Arsenal an schauspielerischen Ausdrucksmöglichkeiten, das ihm zur Verfügung steht – Handwerk eben!

Es hieß, man habe eine Inszenierung vor allem für die Jugend machen wollen! Mir scheint, dieser Anspruch war zu hoch, oder besser, er war falsch. Shakespeare light, Brasch light? Brecht entgegnete einmal auf die Forderung nach Volkstümlichkeit, also gewissermaßen nach einem Brecht light, das Volk sei nicht tümlich! Kann man es netter ausdrücken?

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Was bleibt nun auf die eingangs gestellte Frage zu antworten? Statt Shakespeare oder Brasch – Shakespeareverschnitt… Nur manchmal scheint durch die Kakophonie des Banalen ein Text auf, der erahnen lässt, was weithin nicht stattfindet: Kunst!

„Wichtig erscheint mir, nicht auf eine dumme Art modern zu sein, das Stück soll in seiner Zeit belassen werden.“ Thomas Brasch

PS: Nach der Premiere besuchte ich auch die Vorstellung am 9. März, um meinen Eindruck gegebenenfalls zu revidieren.

 

trauriger kalter kaffee

13 Dez

Ich wollte eigentlich nichts über „kein Kulturerlebnis“ schreiben, denn ich hatte erlebt, wie Edward Albees „Ballade vom traurigen Café“ in der Greifswalder Premiere erstarb. Ich gestehe, ich kannte das Stück nicht. Und ich kenne es auch heute noch nicht; ein unmissverständliches imperatives Missbehagen sagte mir: Das kann’s nicht sein! So verdrängte ich, was ich mit Pein erlebt hatte.

Herrn L.’s Anmerkungen (siehe unten!), die ich meinen Lesern empfehle, brachten mich dazu, mich, wenn auch nur fragmentarisch, zu erinnern:

… zum Schluss war da eine, man sagte mir hinterher, siebenminütige Schlägerei; zeitgemäß brutal zelebriert bis zum endlichen Totschlag – so hoffte ich jedenfalls, denn es sollte enden! In der Arena zwei ebenbürtige Schläger: Frau und Mann – psychisch. Gleichstellungsbeauftragte hätten da nichts zu meckern gehabt … wenn es das schon im Alten Rom gegeben hätte… nicht auszudenken!

… zum Schluss – aber es war denn doch noch nicht Schluss. Erstaunlicherweise – schlechtes Theater! – hatte man überlebt. Nach einer so bestialischen Prügelei hätte man alles dürfen, nur nicht überleben!

Und so gab es noch einen Auftritt in alter, „neurenovierter“ Tristesse, und alle durften noch einmal ihre ausnahmslos hoffnungslosen, verkorksten, perversen usw. Charaktere über die Bühne schleppen. Blieb nur die Frage, wer hatte sie dazu gemacht? Da das Stück sinnigerweise von der Regie in den Osten der neuen Republik kurz nach 89 verlagert worden war, drängte sich zudem die Frage auf: waren die schon immer so, oder was hat da wen wohin gewendet? Beide als solche berechtigten Fragen lassen sich ernsthaft weder einzeln noch im Komplex beantworten, da ihre Voraussetzungen unsinnig sind. Das trifft den Kern der Inszenierung.

Nicht jeder Skandal deutet auf noch nicht vom Publikum verstandene Qualität/Kunst!

Greifswald hat bekanntermaßen nicht das dümmste Publikum, und das hat schon einiges, darunter auch Skandale von Rang erlebt .

Ein Rückblick:

Adolf Dresen schrieb in „Siegfrieds Vergessen“: 1964 war ich an einem kleinen, damals aber interessanten Theater im Norden der DDR, in Greifswald…“ Daran war er nicht unschuldig. Er inszenierte „Hamlet“, gedacht von der Partei als Würdigung zu Shakespear’s vierhundertstem Geburtstag. Die Aufführung war nach Auffassungsvermögen der Genossen in der Kreisleitung ein Skandal; Wolfgang Heinz erkannte Dresens Genie und holte ihn ans Deutsche Theater nach Berlin.

Ähnlich erging es Gorkis „Nachtalsyl“, inszeniert von Herbert König 1984, nur landete König nicht am DT sondern im Westen. Noch heute sehe ich das Bühnenbild, offen bis zur Brandmauer der Hinterbühne, sehe Renate Krößner mit einem einstmals weißem antiken Kinderwagen und erinnere mich an das überragende Spiel aller Schauspieler, denen König neue und erstaunliche Seiten ihres Talents abringen konnte.

Und noch ein Shakespeare erregte Ärgernis bei den Genossen und Teilen des Publikums: „Was ihr wollt“ (Regie: Martin Meltke, Premiere 1988) – war aber dennoch großes Theater, das während der Rekonstruktionsphase im heutigen, unsäglich benannten „Kaisersaal“ stattfand. Und es war politisch, und das hatte man bemerkt: WAS IHR WOLLT! – WAS WOLLT IHR? – WAS; IHR WOLLT? usw. provozierte auf Spruchbändern!

Und davor noch, immer nah am Skandal, Peter Konwitschny 1981 mit „Gräfin Mariza“ – letzter Akt als Schauspiel inszeniert, und 1982 „Schluck und Jau“ von Gerhart Hauptmann…

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Ich wünschte dem Theater Vorpommern ab und zu solche, kreativen Talenten geschuldete, Skandale! Bedarf es dazu erst einer zu künstlerisch politischen Drahtseilakten animierenden hinreichend dümmlichen Administration, die Kunst zwar reglementieren, aber nicht einsparen darf? Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei – aber wie dann? 

Zum Zweiten wünschte ich unserem Theater, dass das Balladendrama bald dem Vergessen anheimfällt! Das Publikum verzeiht gern, wenn es nur erst wieder mit begeisternden Bühnenereignissen beglückt wird.

„Peterchens Mondfahrt“ für die Kleinen war doch schon mal ganz hübsch! Oder?

 Und nun:

Herr L. über ein Kulturerlebnis

Ich wollte mich überzeugen, schlichtweg überzeugen, ob das, was die Leute, die man ja verallgemeinernd als das Publikum bezeichnet, sagen, wirklich zutreffend sein könnte. Ich versuchte, ohne jegliche Erwartungshaltung oder gar hohe Ansprüche in die Welt einer Inszenierung einzutauchen, die in den letzten Wochen geradezu den Status des Stadtgespräches erlangt hatte….

Theater Vorpommern – oder wie man Geschäftsführer entsorgt(e)!

31 Mai

Ein Geheimpapier?

Wie geheim sollten kompetente Kommunalpolitiker für das öffentliche Wohl agieren?

„…mögen Geheimpapiere mit dem Titel „Zusatz zur Niederschricht der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Theater Vorpommern GmbH vom 30.04.2010 -keine Versendung an die Gesellschaft“ veröffentlicht werden und deren Inhalt dem interessierten Publikum auch gern erläutert werden. So kann dann auch ein neuer Intendant neu an’s Werk gehen, ohne dass da noch „Altlasten“ und „Stolpersteine“ im Weg liegen.“ S. Meyer

Ich kann dem Wunsch nach Veröffentlichung gern nachkommen. Erläutern wird es kaum jemand wollen ( s. a.  Bürgerschaftspräsident HST), aber seinen Teil mag dennoch jeder sich denken!

Zusatz zur Niederschrift … vom 30.04.2010-2

Abschrift zur besseren Lesbarkeit: 

„Zusatz zur Niederschrift der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Theater Vorpommern GmbH vom 30.04.2010

–        keine Versendung an die Gesellschaft

Dienstrechtliche Maßnahmen

Herr Albrecht informierte die Mitglieder der Gesellschafterversammlung, dass Herr Dr. Ickrath um einvernehmliche Auflösung seines Dienstvertrages telefonisch gebeten habe unter der Bedingungung, dass die staatsanwaltlichen Ermittlungen* eingestellt werden.

Er möchte 1/3 seiner vertraglich vereinbarten Gesamtbezüge als Abfindung. Er akzeptiert die Zahlung der Abfindung in Raten, um die derzeitige Liquidität im Unternehmen zu schonen.

Herr Dr. Steffens bemerkte, dass für den Fall der Anklageerhebung der Grund einer außerordentlichen Kündigung gegeben ist.

 Die Universitäts- und Hansestadt Greifswald stimmt einer Abberufung und Auflösung des Vertrages mit Herrn Dr. Ickrath nur zu, wenn auch der zweite Geschäftsführer, Prof. Nekovar abberufen und ggf. gekündigt wird.

Im Rahmen der Diskussion wurde hierzu folgende Verfahrensweise festgelegt:

  1. Es ist auf Kosten der Gesellschaft ein Rechtsanwalt mit Erfahrungen im Arbeitsrecht sowie Abberufung/Kündigungen Geschäftsführer zwecks weiterer rechtlicher Begleitung der jeweiligen Abmahnungen sowie Abberufungen und Kündigungen der Geschäftsführer zu suchen. Dazu wird ein Angebot über den Bühnenverein, Herrn Benclowitz, von der UHGW erbeten. Herr Westphal wird einen RA benennen, der sich auf Abberufungen/ Kündigungen von Geschäftsführern spezialisiert hat.
  2. Nach Auswahl ist der Rechtsanwalt entsprechend zu beauftragen, die weiteren Vorgänge der Abmahnungen gegenüber den Geschäftsführern bei weiterem Bedarf zu bearbeiten. Zudem sind Verhandlungen zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstvertrages mit Herrn Dr. Ickrath zu führen. Hierzu wird bemerkt, dass seitens der Staatsanwaltschaft voraussichtlich erst Ende Mai 2010 die Prüfung der Unterlagen beendet werden soll, und erst dann eine Entscheidung zu einer Anklageerhebung getroffen werden wird.
  3. Ebenso ist die Abberufung und ggf. Anpassung des Dienstvertrages (evtl. Bezahlung als Operndirektor) mit Prof. Nekovar vorzubereiten und zu verhandeln.
  4. Als Interimsgeschäftsführer wurde Hans-Walter Westphal vorgeschlagen. Seitens den Greifswalder Gesellschaftsvertretern wurde zugesichert, deren Oberbürgermeister zu informieren und anschließend eine Aussage dahingehend zu treffen, ob Herr Westphal vom Gesellschafter Greifswald mitgetragen würde. Frau Kassner stimmt dem Vorschlag zu.  

Seitens Herrn Dr. Steffens wurde darauf aufmerksam gemacht, dass gemäß Gesellschaftervertrag § 10 Absatz 2 in Verbindung mit § 16 Absatz 1 zur Abberufung der Geschäftsführungen Empfehlungen bzw. gerichtliche und außergerichtliche Vertretungen durch den Aufsichtsrat festgeschrieben sind. Er empfiehlt diesbezüglich einen satzungsdurchbrechenden Gesellschafterbeschluss zu fassen.

Eine Abstimmung zum weiteren Vorgehen im Rahmen der angestrebten Fusion wurde aus Zeitgründen nicht mehr beraten.

Stralsund, den 17.05.2010

Dr. Alexander Badrow

Vorsitzender der Gesellschaftsversammlung“

* Nachsatz: Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wurden Im Herbst 2010 ohne „Anklageerhebung eingestellt.

Theater Vorpommern hat einen neuen Intendanten *Update*

29 Apr

Nachspeise aus der mehrfach bemühten „Gerüchteküche“ und Glückwunsch

Ende gut, alles gut? Aus nicht offiziell informierten Kreisen: Die Gesellschafter und der Aufsichtsrat des Theaters Vorpommern haben sich einstimmig auf einen neuen Intendanten geeinigt. Dirk Löschner soll ab Spielzeit 2012 als alleiniger Geschäftsführer die Geschicke des Theaters lenken und leiten. Zur Zeit ist er am Theater Stendal als Intendant tätig!

Herzliche Glückwünsche an den Neuen! Er übernimmt mit dem Theater ein schwieriges Erbe in einer schwierigen Situation. Es ist aber auch eine schöne Aufgabe! Wolle ihm der durchgreifende Neuanfang gelingen, für den schon jetz die ersten Signale gesetzt werden müssen! Möge er dafür die glückliche Hand haben, die wir schon lange vermissen mussten!

Toi, Toi, Toi !

Update:

Mitteilung der Interimsgeschäftsführung an das Ensemble (14.43 Uhr)

Dirk Löschner wird neuer Intendant und Geschäftsführer
der Theater Vorpommern GmbH

Die Suche nach einem neuen Geschäftsführer für die Theater Vorpommern GmbH ist abgeschlossen. Der 44-jährige Dirk Löschner wird neuer künstlerischer und kaufmännischer Leiter für die Theater in Stralsund, Greifswald und Putbus. Der Aufsichtsrat hat am 27. April in einer Sondersitzung seiner Berufung einstimmig zugestimmt.
Dirk Löschner, der seit der Spielzeit 2009/2010 Intendant am Theater der Altmark ist, wird seine Stelle in Vorpommern zum 1. August 2012 antreten. Ab sofort wird der designierte Intendant jedoch bereits für die Richtlinien der Theaterleitung zuständig sein und regelmäßig vor Ort als Ansprechpartner zur Verfügung und in stetigem Kontakt zur Interimsgeschäftsführung stehen.
Mehrere Jahre war Dirk Löschner als Verwaltungsdirektor am Landestheater Detmold tätig. Der gebürtige Berliner ist Schauspieler und Regisseur. Sein Schauspielstudium schloss er an der Ernst-Busch-Hochschule in Berlin ab. Es folgten ein Studium in Paris sowie das Studium der Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaften an der Freien Universität Berlin.
„Wir freuen uns, dass die Suche erfolgreich verlaufen ist und wir Ihnen Dirk Löschner nun als neuen Intendanten vorstellen können. Die Gesellschafter und der Aufsichtsrat sind überzeugt von der Wahl“, so der Aufsichtsratsvorsitzende Eckehard Nitschke über die Wahl des neuen Geschäftsführers.  

Tod auf Raten? – Theater leider nicht systemrelevant!

28 Apr

„Die Theater brauchen Geld. Und eine wirkliche Reform – damit sie wieder Zukunft haben. Im Moment sieht es danach aber nicht aus.“ 

Das ist das bittere Resümee einer Fersehsendung des NDR über die Finanzkrise der Nord-Ost-Theater von Maryam Bonakdar, gesendet am 11. April um 22.30 Uhr:

Tod auf Raten?

Allen „theaterbegeisterten“ Kommunal-, Landes- und Bundespolitikern sei’s ins Stammbuch geschrieben!

Theater Vorpommern – „Suchet, so werdet ihr finden“

27 Apr

Folgt man als Greifswalder Bürger Theater-Gerüchten und sucht beharrlich, kann man folgende kleine Randnotiz auf den Lokalseiten der Stralsunder OZ vom 13. April finden:

„29-Jähriger jetzt Chef der SPD-Fraktion

Stralsund – Niklas Rickmann ist neuer Fraktionschef der SPD in der Bürgerschaft. Der 29-Jährige löst Hans-Walter Westphal ab, der zuvor die Fraktion um Entlastung von dieser Funktion gebeten hatte. Er behält aber sein Bürgerschaftsmandat, wie er betonte. Gemeinsam mit dem Greifswalder Dr. Rainer Steffens wird Westphal nunmehr bis 31. Juli weiter als Interimsgeschäftsführer der Theater Vorpommern GmbH tätig sein, da noch kein neuer Intendant gefunden wurde. Die Gespräche dazu laufen noch, hieß es.“

„Suchet, so werdet ihr finden“! (Matthäus 7,7)

Wie man weiß, tat und tut man sich mit dem Suchen schwer; schon überhaupt zu einer Ausschreibung zu kommen, bedurfte es gewaltiger Anstrengungen. Zu viele Hemmnisse! Zu viele Hemmungen? Wer langsam sucht, wird in der Regel auch nur langsam „finden“.

Wer trägt für die Verschleppung die Verantwortung? Keiner! 

Es gibt einen unbestreitbaren Zusammenhang zwischen dem Tempo und Eifer des Suchprozesses und der Geschwindigkeit des Findens. Und es gibt noch einen anderen Zusammenhang: den zwischen dem nicht Gefundenhaben und der weiteren Bestallung der Interimsgeschäftsführung für vorerst nochmal ein Vierteljahr. Auf’s Erste gesehen kein finanzieller Verlust für den Steuerzahler – für die beiden Anwälte des Rechts aber sicher ein schönes Zubrot.

Anzumerken bleibt, dass die jetzigen Geschäftsführer durchaus mit verschiedenen Geschwindigkeiten zu jonglieren verstehen. Beispiel 1: In einem Gewalt-Ritt und einer Nacht- und Nebelaktion wurde ein  Kooperationsvertrag mit Anklam eingefädelt. Allerdings heißt es, das zuständige Ministerium tue sich damit schwer. Beispiel 2: Die schon skandalöse Verschleppung der Prozesse gegen die beiden geschassten Geschäftsführer.  

Mit Jonglieren kann man erfolgreich im Zirkus auftreten, aber kein Theater leiten!

Und weil wir gerade beim Suchen waren – ich verstehe nicht, dass nicht zumindest die Greifswalder Bürgerschaft die unendliche Geschichte an sich zieht – zu deutsch: in die Hand nimmt – hat sie sich doch einst das schöne Motto für ihr Handeln gegeben: „Suchet der Stadt Bestes“. Und was täte mehr Not als das?

Theater Vorpommern – Nachtrag zum jüngsten Gerücht

23 Apr

Gerüchte wollen u. a. Realitäten provozieren, sich zu zeigen. Das Gerücht stirbt unabhängig von seinem Warheitsgehalt an der offenbar werdenden Realität. Im Falle des „jüngsten Gerüchts“ erleben wir eine Modifikation per Zeitungsnachricht, die ihm ein Moment seiner Existenzberechtigung für die Zukunft entreißt – unabhängig davon, ob sich dieses Moment noch als wahr erweisen wird.

Dann also, unabhängig von jedem Gerücht, einen Glückwunsch an Manuel Schöbel und nach Radebeul!

Das Gerücht hat damit allerdings noch nicht seinen Geist aufgeben müssen. Es wird fortleben müssen bis es in Gänze ins Reich des Absurden verwiesen wird.

http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/SACHSEN/Manuel-Schoebel-wird-neuer-Intendant-der-Landesbuehnen-Sachsen-artikel7640519.php

Manuel Schöbel wird neuer Intendant der Landesbühnen Sachsen
Das Orchester der Landesbühnen Sachsen will eigenständig bleiben

Radebeul (dapd-lsc). Der Theaterleiter, Regisseur und Autor Manuel Schöbel wird neuer Intendant der Landesbühnen Sachsen in Radebeul. Der 50-Jährige übernimmt das Amt voraussichtlich Mitte 2012 vom langjährigen Landesbühnen-Intendanten Christian Schmidt, wie ein Sprecher des Kunstministeriums am Dienstag in Dresden sagte. Schmidt kündigt Medienberichten zufolge seinen bis Mitte 2013 laufenden Vertrag vorzeitig, um gegen die vom Landtag geplante Privatisierung der Landesbühnen zu protestieren… (Weiterlesen)

Theater Vorpommern – Neues aus der Gerüchteküche *Update*

12 Apr

se Zungen behaupten, nichts könne das Vertrauen der theaterbegeisterten Bürger in die Kompetenz ihrer Kultur-VerwalterInnen erschüttern – ich mag das nicht glauben, obwohl einiges dafür spricht. Über den skandalösen Vorgang der Suche nach einem neuen Intendanten wurde auf diesem Blog schon berichtet. Aus Mangel an Informationen – die zuständigen Medien schweigen, wo sie beherzt zugreifen sollten – will ich mich fünf mir neuer Gerüchtsplitter bedienen, um die in Rede stehende Vertrauensseligkeit zu testen:

1. Man habe drei Favoriten aus den fünfzig Bewerbern eingeladen.

2. Man habe bereits Gespräche mit den Eingeladenen geführt.

3. Einer solle abgesprungen sein.

4. Einer sei  ein Stralsunder.

5. Ein Dritter sei der noch bis Ende dieser Spielzeit am  sächsischen Theater Freiberg/Döbeln als Intendant und  Oberspielleiter sowohl für das Schauspiel als auch für das  Musiktheater engagiert – Manuel Schöbel. (Siehe dz. auch „Nachtrag…“!)

Was käme nun, wäre Wahres daran, und würde es so durchgewinkt, auf  uns zu?

Bei dem Stralsunder Kandidaten weiß man, was man bekommt – jedenfalls am Theater (auch dazu mehr auf diesem Blog).

Schöbel wäre nicht der erste aus Freiberg / Döbeln kommende Intendant, der seine künstlerische Laufbahn an unserem Theater erfolgreich zu krönen wünscht. Was ihn betrifft, davon kann das Internet berichten.

Wer clever einkaufen will, wäre töricht, seine Informationsmöglichkeiten bei anstehenden Entscheidungen nicht zu nutzen. Ob die so zu erhaltenden Informationen richtig sind oder falsch, muss jeder selbst herausfinden – sie zu ignorieren allerdings wäre fahrlässig, könnten sie doch Auskunft über nicht zu vernachlässigende Restrisiken geben!

Mein erster Blick ins verwirrende Informationsangebot fiel auf die unten wiedergegebene Beschreibung einer Arbeit Manuel Schöbels als Opernregisseur. Mag die Lektüre zu weiterem Suchen anregen, möge Anderes und Gegensätzliches gefunden werden – der Beitrag von Dirk Pilz soll Zündstoff für eine öffentliche Diskussion bieten, die, unter den gegebenen Umständen unverzichtbar, bisher unterblieb! Andere, nicht geladene Bewerber, denen man vorsichtshalber noch keine Absage erteilt hat, dürfen derweil weiter hoffen …

nachtkritik.de / Othello – keine Theaterkritik aus Freiberg

Die Negerseele ist ein Trommeln

von Dirk Pilz

Freiberg, 22. März 2008.

Dies ist keine Theaterkritik. Es geht hier zwar um eine Inszenierung des „Othello“ am Mittelsächsischen Theater in Freiberg, aber eine Auseinandersetzung mit der Ästhetik, dem Regie-Zugriff, der Figurenanlage, der Szenengestaltung macht keinen Sinn. Denn was in Freiberg, der kleinen Stadt zwischen Chemnitz und Dresden, geboten wurde, ist ein Fall von Rassismus. Darüber ist theaterkritisch nicht zu berichten, das lässt sich nur vermelden.

Beherzt gefummelt

Die erste Szene ist noch so, dass man glaubt, einer Provokation beizuwohnen: Auf der Bühne thront ein schwarzer Kriegermann. Beine breit, Rücken durchgedrückt. Die Frau an seiner Seite: weißes Flatterkleidchen, lange Beine. Sie umschlängelt ihn, er fummelt ihr beherzt zwischen die Beine. Sie räkelt sich, er packt furchtlos zu. Links schmettert derweil eine Sopranistin die Begleitarie zu dieser Begattungsetüde, aus dem Hintergrunde trommelt es. Und vorn schimmern die Kerzen. Die Sopranistin ist die veräußerlichte Seele Desdemonas, der Trommler diejenige Othellos. Die Sopranistin macht auf Europa-Hochkultur (Verdi! Oper!), der Trommelmensch auf afrikanisch.

Wenn der Gaze-Vorhang sich nach diesem Prolog hebt, glaubt man eine Exotismus-Show gesehen zu haben, die von den primitiven Klischees die billigsten aussucht, um sie als eben das auszustellen. Die Wahrheit ist aber: das war noch gar nix.

„Hu! Ha! Ha!“

Denn hier wird hemmungslos die Klischeeschleuder angeworfen. Othello trägt Kriegsbemalung, Desdemona Goldsandaletten. Wenn er mit den Seinen in den Krieg zieht, machen sie „Hu! Ha! Ha!“ im Chor und meinen das ganz ernst; wenn sie mit der Gattin des Jago spricht, wird mit den Einkaufstäschchen gewedelt und den Hintern gewackelt, wird ganz auf Tussen-Sprech und Weibchenart gemacht und auch das vollkommen ernst gemeint. Die Geliebte des Cassio: bei Bianca ein italienisches Weibsding, das faucht und schmust und drollig dämlich in die Welt schaut; die Einheimischen auf Zypern: singen „lei-la-lei-la-la“, tragen Fladenbrot und komische Hüte.

Wohin man schaut in diesen drei Stunden: Menschen, die auf Äußerliches reduziert sind. Man sucht Hände ringend nach dem Bruch, nach der Lücke und wird schon vom nächsten Klischee-Holzhammer erwischt. Es ist wirklich arg.

Vom Vorurteil zum Urteil

Noch ärger aber, dass sie hier tatsächlich „den Neger“ als „den“ Fremden, Anderen, Unerforschlichen hinstellen. Es ist nämlich so, dass Jago an diesem unseligen Abend nicht nur ein Schmierenschurke ist, wie er in keinem Buch steht, er ist vor allem ein Intrigant in Reinkultur, weshalb Othello nur die Rolle des bloßen, armen, traurigen Opfers bleibt. Und weil in dieser Inszenierung des Intendanten Manuel Schöbel keine Gelegenheit ausgelassen wird, den Neger einen Neger zu schimpfen und dieser zudem mit lauter Attributen versehen wird, die ausmalen, was man, also die Regie, sich unter einem Neger eben so vorstellt (Trommeln, Kriegsbemalung: „Hu! Ha! Ha!“), wird das Vorurteil zum Urteil über Othello: ein Schwarzer, ein Fremder, eine Bedrohung. Der Neger als einer, in dessen Seele es trommelt, in dessen Kopf und Herz es spukt. Das Beste, was man, also als Weißer, diesem armen Würstchen geben kann, ist Mitleid. Das allerdings zementiert die Differenz zwischen den Weißen hier und den Schwarzen dort erst recht.

Der Vorwurf wiegt schwer, ja, aber der Abend erlaubt keine andere Deutung: er bedient unverhohlen rassistische Denkmuster. Er missbraucht Shakespeares Text, um billige Gefühle und dumpfes Vorurteil zu befördern.

Es sei denn, man verstünde das alles als Trash und also als hintersinnige Klischee-Kritik. Nur leider deutet nichts darauf hin.

Wäre es zynisch zu behaupten, die Wahl dieses Intendanten passte zu  unserem Theater?

Weiterlesen! „Muss Intendant Manuel Schöbel gehen?


Theater Vorpommern: Intendantensuche – oder der versäumte Blick nach Osnabrück

27 Feb

Ein rechtzeitiger Blick nach Osnabrück hätte die Verantwortlichen lehren können, wie man Voraussetzungen für eine erfolgreiche Intendantensuche schafft. Aber, zumindest im Greifswalder Rathaus, scheint man mehr am „Osnabrücker“ Know-How für erfolgreiche Immobiliendramaturgie interessiert zu sein.

Wie viel Naivität und Arroganz muss am Werkeln sein, wenn man in den Amtsstuben meint, die beiden Interimsgeschäftsführer – sie gaben bisher gewiss schon ihr Bestes – könnten auch nur im Entferntesten das leisten, was man von ihren potentiellen Nachfolgern in den Ausschreibungen gefordert hat und was an Kompetenz für all das, was jetzt ansteht, dringenst benötigt wird!

Was steht an?

1. Die Verhandlungen „hinsichtlich der vom Land geforderten Kooperationen bzw. Fusionen“. Das beinhaltet doch zumindest ein überzeugendes, vor allem künstlerisch fundiertes Konzept, mit dem man in die Verhandlungen gehen will – hängen doch gerade davon auch die Arbeitsplätze des künstlerischen Personals ab. Und davon wiederum

2. die Gestaltung der künstlerischen etc. Personalstruktur. Was im Klartext auch bedeutet, die notwendigen Kündigungen bzw. Nichtverlängerungen termingerecht vorzunehmen.

Soll dies alles im Dunstkreis der überfälligen „Heimleitung“ (im weitesten Sinne) geregelt werden?

Seit langem war nicht nur zu vermuten, sondern es musste (und wurde wohl auch) damit gerechnet werden, was Eckehard Nitschke, derzeitiger Aufsichtsratschef, als Konsequenz der verschleppten Ausschreibung erklärte: „… dass wir die beiden Herren bitten werden, die Geschäftsführung eins, zwei, drei Monate weiter auszuüben.“ (OZ/HGW.LOKAL 26. Febr. 2011). – Oder auch vier, fünf, sechs Monate – wer könnte das ausschließen? Die beiden Herren werden sich nicht zweimal bitten lassen!

Der zitierte OZ-Artikel lässt dazu passend auf ein merkwürdiges Chaos bei der Auswahl der Kandidaten schließen. Da ist die Rede davon, der Landkreis Rügen hinke „mit seinen Favoriten hinterher.“ Ja, wie denn? Soll sich jeder Gesellschafter eigene Favoriten küren? Ohne Beratung? Oder mit? Bekommen sie schon eine Vorauswahl geliefert oder die Unterlagen aller insgesamt 55 Bewerber? Wer, wenn, trifft die Vorauswahl? Ohne Beratung? Und wenn mit, wo und wann holen sich die Gesellschafter (und der Aufsichtsrat?) den notwendigen „Sachverstand“ ein, um keinem „Schaumschläger“ aufzusitzen?

Es wäre an der Zeit, der Öffentlichkeit die „Findungskommission“ namentlich vorzustellen oder ihre Existenz als Erfindung besorgter Theaterfreunde zu dementieren!

Apropos: Osnabrück!

Erfolgreiche Intendantensuche in der Partnerstadt

„30.03.2010 (!)

(nmz/kiz) – Osnabrück – Der Operndirektor des Augsburger Theaters, Ralf Waldschmidt, wird mit Beginn der Spielzeit 2011/12 neuer Intendant des Osnabrücker Theaters. Der 49-jährige wurde am Dienstag einstimmig von einer 20-köpfigen Findungskommission gewählt und setzte sich damit gegen 70 Mitbewerber durch…“

„…Der ehemalige Intendant des Wiener Burgtheaters, Gerd Leo Kuck, lobte als Mitglied der Findungskommission den Mut der Osnabrücker Politiker, die dem Theater angesichts finanziell knapper Mittel eine zentrale Bedeutung in der Stadt zuwiesen…“

Theater Vorpommern – Intendantensuche: unprofessionell oder mit Methode?

23 Feb

Seit nunmehr gut einem Dreivierteljahr behandeln die kommunalen Gesellschafter die Zukunft des Theaters offensichtlich als geheime Verschlusssache, als befinde es sich in privater Hand. Wo notorisch Transparenz vermieden, wo verschleppt und ausgesessen, wo getrickst und gekungelt wird, da wächst Raum für Spekulationen.

Was bisher an Informationen über die Medien in die Öffentlichkeit drang, war lapidar und widersprüchlich. Natürlich ist die Kommunikation und die Abstimmung zwischen den drei Gesellschaftern ein Problem. Das kann aber nicht als Ausrede für mangelhaft wahrgenommene Verantwortung dienen; und wenn sich das zum Schaden des Theaters und seiner Belegschaft auswächst, dann ist da was faul.

Spätestens seit der fristlosen Entlassung des Intendanten war die Suche nach einem neuen künstlerischen Gesamtleiter dringend geboten. Vielfach angemahnt, wurde sie so lange wie möglich verschleppt. Ausrede: man wisse nicht, bzw. man könne sich nicht darüber einigen, was man wolle. Was wollte man denn überhaupt? Was waren die Präferenzen Greifswalds, Stralsunds oder Rügens? Offensichtlich Unterschiedliches. Schon das hätte in die Öffentlichkeit gehört. Obwohl man in den „Rathäusern“ wusste, wann die Zeit der kommissarischen Leitung abgelaufen sein würde, gab es im Oktober noch immer keine Ausschreibung! Es gab eine Verlängerung für die amtierende Geschäftsführung bis zum äußersten Limit, dem 31. März 2011.

Kurz vor Jahresultimo dann ein hinter verschlossenen Türen ausgehandelter Kooperationsvertrag mit der Anklamer Bühne. Vorbei an doch eigentlich zuständigen, hoffentlich überraschten Gremien. Stattdessen wurden selbstherrlich Fakten geschaffen, die die Zukunft des Theaters nicht unerheblich tangieren. Natürlich unter Zeitdruck!

Eine Woche später dann endlich die Ausschreibungen. Hier der Text für die Stelle Intendantin/Intendant und ein fast gleichlautender – für kaufmännischen Leiter/Leiterin. Den potentiellen Bewerbern wurden fünf Wochen(!) Zeit gegeben, sich zu bewerben. Dienstantritt „nächstmöglich“. Die Stellen sind ab 1. April vakant. Das stand aber nicht drin. Was versprach man sich bei der Ausschreibung von diesem Zeitfenster? Warum wurde ein solcher Zeitdruck aufgebaut? Welcher nicht gerade arbeitslose Bewerber könnte denn realistischerweise am 1. April antreten?Man erinnere sich, von OZ nach ihrer Zukunft befragt, würde einer der Interimsgeschäftsführer, Herr Westphal, gern die „begonnene Arbeit auch zu Ende führen“. Hat er sich beworben? Zumindest könnte er ja garantieren, dass das Theater nicht plötzlich geschäftsführerlos dastünde! Und da man sowieso nur noch einen Geschäftsführer haben will (OZ  11.12.10), wäre dann doch dies Problem mit ihm schon mal gelöst.

Inzwischen haben nun auch die beiden Amtierenden ihr Auftragswerk vorgestellt. Wieder hinter verschlossenen Türen, wie OZ Lokal HGW 19./20.02.11 berichtete. Warum eigentlich? Was nach außen dringen durfte, teilte Stralsunds Oberbürgermeister der Presse mit. Das Erstaunlichste ist, dass dabei von Einem nicht die Rede war: von dem neuen Intendanten und dessen angedachter Rolle!

Und es lässt erstaunen – das Selbstverständnis der Gesellschafter. Die hatten z. B. „den Geschäftsführern bereits signalisiert, dass dieses Modell [„das Gespenst einer Spartenschließung“] nicht weiter zu verfolgen ist.“ Gewiss, keiner will Spartenschließungen. Aber Punkt 2a des abzuarbeitenden Prüfauftrags der Bürgerschaft lautet: „Spartenverkleinerung, notfalls Spartenschließung“. Ist kein „Notfall“ mehr gegeben? Dann muss aber auch nicht flächendeckend stückweise abgebaut werden. Und wenn, wer entscheidet sinnvoll darüber?

 

Und, wer soll die „personellen Einschnitte realisieren“, wenn nicht rechtzeitig ein Intendant gefunden wird, der die Notfall wendende Drecksarbeit zu erledigen gewillt ist? Von dem werden ja immerhin „eine überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft, sehr gute Führungsqualitäten sowie Innovationsstärke erwartet.“ Und „im Hinblick auf die bevorstehenden betriebswirtschaftlichen notwendigen Neu- und Umstrukturierungen des Theater Vorpommerns sind Einfallsreichtum und Verhandlungsgeschick mit entsprechendem Durchsetzungs- und Organisationsvermögen Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung.“

 

Wie soll der neue Intendant seine ganzen tollen Talente ausleben? Oder anders gefragt, würde einer, der diesen Forderungen entspricht, überhaupt kommen, so für ihn diesbezüglich schon alle Messen gesungen sind? Will man überhaupt einen?

 

Und da erhebt sich schon eine weitere Frage: Wer eigentlich sucht „die Favoriten“ aus den 45 Bewerbern aus, die bis Mitte März sich vorgestellt haben sollen? Andernorts gibt es Findungskommissionen, nach Möglichkeit hochkarätig und mit einigem Theaterverstand gesegnet – wie in Bremen. (Siehe auch: Pressemitteilung des Senators für Kultur!) Alles offen und öffentlich! Warum nicht so in Vorpommern?

 

Also Findungskommission – vorerst Fehlanzeige. Unter der Hand wird vermutet, dass Rüdiger Bloch, Intendant vor Nekovar, wieder berät. Was auch läge aus Sicht der Verwaltung näher, als auf die Schnelle Bloch einzubeziehen, hatte der doch im Verein mit Hans-Jörg Schüler, dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden, schon bei der letzten Intendantensuche  vorauswählend mitgemischt!

 

Was steht bei alledem zu hoffen? Und – wie will man sich gegenüber den Plänen der Landesregierung erfolgreich positionieren, wenn man dergestalt handelt? Das Schlimmst ist aber, wenn die Bürger des Ganzen schließlich müde werden. Die Bürgerinnen und Bürger – das Publikum unseres Theaters!

 

Trotzdem, wie heißt es so schön: Man sollte mit allem rechnen, auch mit dem Schönen!

Theater MV im Wahljahr 2011

7 Jan

Aus aktuellem Anlass (zum Eckpunktepapier aus Schwerin)


„Deutschlands Freiheit wird in Wahrheit nicht am Hindukusch verteidigt, sondern in den Theatern, Konzertsälen, Opernhäusern, Museen und Buchläden und natürlich in den Schulen.“

Michael Naumann (SPD)

„Die Kultur darf nicht zum Steinbruch bei der Sanierung der Staatsfinanzen werden. Sie ist die geistige Basis, die Klammer, die unsere Gesellschaft bei zunehmender Globalisierung und Orientierungslosigkeit zusammenhält. Sie gibt Halt, Heimat und Identität zugleich.“

„Die Bedeutung der Kultur ist gestiegen, Kulturausgaben sind Investitionen in die Zukunft und keine Subventionen, dieser Satz wird jetzt weitgehend verstanden.“

Bernd  Neumann (CDU)

Wenn dem so ist, was bedeutet dann die Halbierung der  Theaterlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern?

Gesellschaft und Theater – als ihr Spiegel – sind gleichermaßen in der Krise. Der Staat verliert das Vertrauen, die Parteien verlieren ihre Wähler, und das Theater verliert seine Glaubwürdigkeit als „moralische Anstalt“ und sein Publikum.

Im Gegenzug: in der allgemeinen resignativen Windstille, entwickelt sich der ungeliebte Staat mehr oder weniger unbemerkt zum kriegsführenden Global Player, und als sein Spiegelbild nimmt die unterhaltende Verblödungsindustrie Seele und Körper der Menschen in Geiselhaft.

So richtet’s der Markt!?

Das Wissen darum, soweit es je vorhanden war, ist der politischen Klasse weitgehend abhanden gekommen. Deshalb wünschte ich mir eine breite und nachhaltige Diskussion über die Kultur in dieser Republik und in diesem Lande; und über unser Verhältnis zur Weltkultur.

Das Wahljahr sollte gute Gelegenheiten bieten, mit den Politikern und denen, die es werden wollen, ins Gespräch zu kommen.

Die Verantwortung ist groß. Die Verantwortung aller!

Sie beginnt mit dem Begreifen dessen, was für alle auf dem Spiel steht.

Jeder kann etwas tun.

Jede Stimme für eine vernünftige Entscheidung kann zum Hoffnungsträger für die Umkehr einer verhängnisvollen Entwicklung werden.

Jede gelungene kulturelle und künstlerische Leistung ein Fanal gegen Dummheit und Resignation!

Theater Anklam 1990 – und zwanzig Jahre später? *Update*

28 Dez

„Theater Vorpommern will mit Anklamer Bühne fusionieren“

Eine Ente, oder ein dicker Hund? Wie auch immer – aber doch Anlass, einmal einen  Blick zurück auf die Anfangszeit  der Anklamer Theater-Erfolgsgeschichte zu werfen. Ein Blick in den „Spiegel“ macht’s möglich. Zur Kenntnis nehmen, oder  Augen zu und durch? Ein beklemmender Blick …

(12. Februar 2011): Der Link führt  n i c h t  mehr zum „Spiegel“-Artikel, sondern zur aktuellen Homepage  der Vorpommerschen Landesbühne GmbH !

A. Sch. hat mich freundlicherweise auf diesen BLOG-Artikel angesprochen, was mich dazu bewogen hat, ihn noch einmal zu überdenken! Nachdem ich auch anderes von M. Matussek zur Kenntnis genommen habe, glaube ich, dass seine damaligen Recherchen (1990) zum Anklamer Theater wenig geeignet  für eine gerechte Bewertung damaliger Vorgänge sind. Auch Schlüsse auf die heutige Situation sollten nicht voreilig aus dem Artikel von Matussek gezogen werden, der zu jener Zeit als „Ritter ohne Fehl und Tadel“ für Kultur kämpfend und rächend durch östliche Lande zog .

Aus Ärger über die Fusionsmeldungen und andere Gerüchte, die immer dann blühen, wenn völlig unnötig „Geheimdiplomatie“ ins Werk gesetzt wird, folgte ich selbst nicht meinem hier geäußerten Rat, was ich bedauere  …

Theater Vorpommern – Multhauf störte

15 Dez

Die an ihrem Theater interessierten Greifswalder Bürgerinnen und Bürger werden mit Spannung auf die Tagesordnung der letzten Sitzung ihrer gewählten Stadtvertreter gewartet haben – war dies doch die letzte Gelegenheit, nach Beschlusslage vom 5. Juli, von der Verwaltung beschlussreife und zu diskutierende Vorschläge zur Zukunft des Theaters zu hören. Aber, weit gefehlt. Stattdessen war auf die Tagesordnung die Abwahl eines Aufsichtsratsmitglieds gesetzt worden. Der Beschlussvorlage lag ein Brief des Betriebsrats vom 1. November 2010 bei, in dem dieser mitteilt, sein Vertrauensverhältnis zu Multhauf sei zerstört. (Wenn dies als Argumentationshilfe für die Abwahl gedacht war, muss die Frage erlaubt sein: Seit wann ist die Legitimität eines Aufsichtsrats, beziehungsweise eines seiner Mitglieder, vom Vertrauen des Betriebsrats – oder umgekehrt – abhängig?)

Peter Multhauf, Bürgerschaftsmitglied und seit langem im Aufsichtsrat, ist dem Vernehmen nach Einzelkämpfer gegen die fristlose Entlassung Nekovars (gewesen). Die ganze Verfahrensweise stinkt ihn an und er macht daraus auch keinen Hehl. Im März dieses Jahres schrieb der Betriebsrat einen Brief an den Aufsichtstrat, in dem, mehr oder weniger indirekt, die Entlassung des Intendanten gefordert wird. Diesen Brief leitete Multhauf umgehend an Nekovar weiter – an dessen dienstliche E-Mail-Adresse. Dieser Brief wurde nun am Rande der öffentlichen Bürgerschaftssitzung an die Abgeordneten verteilt – zu kurzfristig, um sich ein Bild von der Tragweite und Relevanz dieses Briefes machen zu können. Der Leser dieses Blogs befindet sich in einer komfortableren Lage:

Betriebsrat an Aufsichtsrat 08.03.2010 Seite 1

Betriebsrat an Aufsichtsrat 08.03.2010 Seite 2

Die Bürgerschaft wählte Multhauf mit 22 zu 19 Stimmen ab. Unabhängig davon, wie man Multhaufs nicht abgesprochene Weiterleitung von Daten aus dem Aufsichtsrat an den ehemaligen Intendanten rechtlich und moralisch werten mag – der Vorgang der Inszenierung seiner Abwahl wirft einige Fragen auf. Siehe auch Ostseezeitung von heute! Hier soll sich auf zwei Fragen beschränkt werden:

1. Wie ist der Brief inhaltlich zu werten. Was wurde verraten?

2. Wie wurde der „Verrat“ aufgedeckt?

 

Zu 1. Eigentlich enthält der Brief inhaltlich nichts, was dem Intendanten hätte unbekannt sein können oder dürfen. Es werden im Brief Fragen gestellt, die ebenso gut hätten der Geschäftsführung gestellt werden können und müssen. Weiterhin werden Versäumnisse der Geschäftsführung benannt, die ihr ebenfalls hätten bekannt sein müssen.

Was wurde nun letztlich verraten? Zum einen die Existenz dieses Briefes und sein denunziatorischer Charakter. Und zum anderen der Hilferuf: „im Namen der Belegschaft … der Belegschaft die aktuelle Lage zu schildern und um Verständnis für die vorzunehmenden Maßnahmen zu werben.“ Diese verklausulierte Formulierung  lässt auf ein damals eher noch nicht zu vermutendes Einvernehmen zwischen Betriebsrat und Aufsichtsrat bezüglich der „vorzunehmenden Maßnahmen“ schließen.

Dies allenfalls war brisant und ist es bis heute! Nimmt man dazu den Hinweis aus dem Brief vom 1. November, stellt sich die Frage, welche Auffassung von den Aufgaben eines Betriebsrates in den entsprechenden Gremien vorherrscht. Ist es korrekt, an der Geschäftsführung vorbei, Spielplanvorschläge zu erarbeiten und „vorzunehmenden Maßnahmen“ zuzuarbeiten. Letztere lassen sich im gegebenen Kontext unschwer als Entlassung der Geschäftsführung deuten. Eine solche Forderung bedürfte, wenn vom Betriebsrat aufgemacht, doch wohl eines nachvollziehbaren Auftrags durch die Belegschaft. Ohne eine Befragung, deren Ergebnis dann auch öffentlich wäre, kann nicht im Namen der Belegschaft gesprochen werden!

Diese Überlegungen, zu denen die Bürgerschaftsmitglieder kaum Gelegenheit hatten, würden vermutlich zu einer anderen Bewertung des „Geheimnisverrats“ durch den einen oder anderen geführt haben.

Es sei daran erinnert, dass die Unfähigkeit der Gesellschafter, sich auf eine Nichtverlängerung der Geschäftsführung zu einigen, trotz deutlicher Signale aus dem Theater und dem Votum des Aufsichtsrats, zu dieser ganzen unerfreulichen Situation geführt hat.

 

Zu 2. Laut OZ wurde nun dieser Geheimnisverrat „im Mai 2010“ von dem neuen „Geschäftsführer Rainer Steffens (CDU)“  entdeckt. Da konnte es aber noch keinen neuen Geschäftsführer geben, denn Nekovar erhielt erst am 28. Mai die telefonische Mitteilung seiner fristlosen Entlassung. Man hatte „übersehen“, dass er sich in Japan auf Tournee mit seinem Ensemble befand. Wirksam wird eine solche Entlassung erst mit Zugang der schriftlichen Ausfertigung, und dies konnte realistischer Weise nicht vor dem 2. Juni passieren. Zugang zu seinem Rechner hätte man sich vor Übergabe seines Büros nur mit Hilfe eines Staatsanwaltes verschaffen können, oder eben erst  n a c h  der Übergabe. Dass ein Intendant berechtigt ist, seinen PC auch für „persönliche Post“ zu nutzen, dürfte unstrittig sein. Daher musste ihm auch Gelegenheit gegeben werden, diese vor der Übergabe zu löschen. Da Gesellschafter und Aufsichtsrat mit juristischer Kompetenz nicht unterversorgt sind, muss man schon staunen, dass solche, gelinde gesagt, Verfahrensfehler unterlaufen sind. Auch dieser unerwähnt gebliebene Aspekt hätte bei der Abwahl eine Rolle spielen können.

Der ganze Vorgang wirft kein vorteilhaftes Licht auf die Praktiken im Umgang von Gesellschaftern, Aufsichtsrat und Betriebsrat mit ihren Geschäftsführern. Dass darunter auch das Vertrauen innerhalb des Aufsichtsrats gelitten hat, ist eigentlich nicht verwunderlich – umso mehr das Geschrei der Gerechten, die, sich treu bleibend, Multhaufs Abwahl betrieben haben.